Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
wurde. Einfach abgeknallt. Ich will wissen, wer das getan hat!«
»Ich habe keine Ahnung.« Die ironische Gleichmut verschwand aus Phillips Tonfall. Plötzlich klang er genervt.
»Ist dir das egal? Lässt dich das kalt? Er war dein Freund!«
»Kannst du mal den Ton leiser drehen? Oder am besten verschwinden. Du bist ja völlig hysterisch.«
»Ich glaube dir kein Wort. Weshalb hast du dich mit Daniel so gestritten, dass ihr euch beinahe geprügelt habt? Und deine Erklärung, es sei wegen mir gewesen, kannst du in die Tonne treten.«
Phillip stand stöhnend auf. »Sieht nicht so aus, als ob du mir noch eine Mütze Schlaf gönnst.« In Pants und T-Shirt schlurfte er aus dem Zimmer und ging ins Bad. Er ließ sie hier einfach stehen. Ohne Antworten. Hatte sie etwa etwas anderes erwartet? Kurz darauf hörte sie die Dusche rauschen.
Sie wollte schon gehen, als ihr Blick auf das Handy fiel, das auf dem Bett lag.
42
Dühnfort hatte gelernt, seine Bauchgefühle nicht zu ignorieren. Ihnen wollte er sich jetzt in Ruhe widmen. Doch ein ruhiger Ort war im Präsidium nicht zu finden, deshalb hatte er es sich in den letzten Jahren zur Gewohnheit gemacht, den Dom aufzusuchen, wenn er ungestört nachdenken wollte.
Die Tür schloss sich hinter ihm. Er trat in angenehme Kühle ein. Ein Hauch von Weihrauch hing noch von der Morgenandacht in der Luft. Touristengruppen folgten ihren Führern. Ab und zu flammte ein Blitzlicht auf. Gedämpfte Schritte und Stimmen durchzogen die Stille.
Die klaren Linien des gotischen Kirchenschiffs und die Helligkeit und Höhe des Raums hatten seinen Gedanken schon häufig einen Resonanzraum gegeben und ihm so geholfen, zu einem Punkt zu gelangen, von dem aus er weitermachen konnte. Im Seitenschiff suchte er sich einen Platz.
Weshalb ging ihm Isas Tod nicht aus dem Kopf? Warum vermutete er, dass der Mord an Daniel mit ihm in Verbindung stand? Es gab weder Hinweise noch Fakten, die eine derartige Vermutung stützten. Nur die Tatsachen, dass beide derselben Clique angehört hatten und gewaltsam gestorben waren. Auch wenn er eine Abneigung gegen Zufälle hatte, das konnte tatsächlich Zufall sein. In Gedanken ging er die bisherige Ermittlungsarbeit durch und fand keine Verbindung, nur den Punkt, an dem er die Vermutung gehabt hatte, Daniel könnte sich als Sascha ausgegeben haben. Doch Meo hatte das überprüft. Daniel war nicht Sascha gewesen.
Es gab allerdings noch eine andere Möglichkeit: Hatte Daniel gewusst, wer Sascha war, und ihm gedroht, das Isas Eltern zu offenbaren? Dann kannten Daniel und Sascha sich. Und dann lag der Schluss nahe, dass Sascha auch Isa gekannt und nicht erst bei Facebook getroffen hatte. War er nie in sie verliebt gewesen? Hatte er die Mobbingaktion gezielt gestartet, um Isa zutiefst zu verletzen? War das Ganze von Anfang an geplant gewesen, und Sascha hatte Isas Suizid zumindest billigend in Kauf genommen, wenn nicht gar bewusst provoziert? Was hatte Isa getan, um diese vernichtende Verachtung auf sich zu ziehen? Dühnfort fielen nur zwei mögliche Motive ein: Hass und Eifersucht.
Eine alte Frau ging auf einen Stock gestützt an ihm vorbei. Ihre Schritte hallten nach.
Angenommen, Daniel wusste, wer Sascha war, warum hatte er es Isas Eltern nicht offenbart? Wollte er Sascha eine Chance geben, sich selbst zu outen? Oder hatte Daniel versucht, Kapital aus seinem Wissen zu schlagen? Auszuschließen war das nicht. Wer war Sascha? Was hatte Isa ihm getan?
Die Klärung dieser Fragen würde sie zu Daniels Mörder führen. Sascha gehörte zu diesem Fall, war untrennbarer Teil davon.
Dühnfort trat aus der Bank und war einen Moment lang im Begriff, sich ganz automatisch zu bekreuzigen. Doch er war nicht gläubig. Die letzten Reste seines ohnehin nie festen Glaubens waren ihm im Laufe der Jahre als Mordermittler abhandengekommen. Sie waren erodiert, wie brachliegende Felder im Wind, waren wie Kiesel zu Sand zermahlen und weggeschwemmt worden, im steten Anbranden von Gewalt und Willkür, von Erbarmungslosigkeit und Hass, von allem, was Menschen einander antaten.
Er verließ den Dom und kehrte ins Präsidium zurück, um Christoph Leyenfels aufzusuchen. Vor dessen Büro begegnete er ihm und Kirsten. Sie näherten sich vom anderen Ende des Gangs, angeregt in ein Gespräch vertieft. Kirsten lachte. Leyenfels gestikulierte. Derart lebhaft hatte er den Staatsanwalt selten erlebt. Als die beiden ihn bemerkten, verhallte das Lachen, reduzierten sich die Gesten.
»Heigl hat uns
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