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Verfluchte Seelen

Verfluchte Seelen

Titel: Verfluchte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dianne Duvall
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zu retten.
    Das dritte Ereignis – die Verwandlung eines
Begabten
in einen Unsterblichen – ließ Grauen in ihm aufsteigen. Das Gefühl war so stark, dass er ihm folgen konnte wie einem starken Geruch, den der Wind mit sich trug. Aber auch dafür brauchte er Zeit.
    Zeit, die diese Frau nicht gehabt hatte, als sie das Opfer von einem halben Dutzend Vampiren geworden war, deren Blut nun die Zimmerwände zierte.
    Die Vampire hatten versucht, sie zu verwandeln. Aber wie so oft hatte ihre Blutgier ihren Plan zunichtegemacht und sie dazu getrieben, sie auszusaugen, bevor die Verwandlung abgeschlossen war. Deshalb hatte er nun zwei Leichname, die er in ein Laken hüllen und in der Erde vergraben würde.
    Er nahm das Bündel in die Arme. Die beiden waren so leicht. Irgendwie machte es das Ganze noch schlimmer.
    Draußen traf ihn eine eisige Windböe, sie trug den Geruch von Schnee mit sich. Fast wünschte er sich einen Eisregen, der schmerzhaft wie Nadelstiche auf ihn niederprasselte.
    Eine weiße Schneedecke, die jeden Laut verschluckte, bedeckte die herrliche Landschaft nahe der Stadt Gyeongju in Südkorea. Ein Donnergrollen erschütterte den Himmel – kein Wetterphänomen, sondern eine Folge seiner Trauer.
    Er musste eine Schaufel auftreiben.
    »Hier.«
    Seth wirbelte herum.
    Die Gestalt, die aus dem Schatten des vom Mondlicht beschienenen Hauses trat, erinnerte ihn wie immer an einen durchtrainierten Jim Morrison. Sein dunkles welliges Haar fiel ihm bis auf den Rücken und bewegte sich leicht in der Brise. Sein Oberkörper war nackt und haarlos. Er trug eine tief auf der Hüfte sitzende Lederhose.
    Seth hatte ihn nicht kommen hören und fragte sich, ob das an dem Lärm lag, den die Vampire während des Kampfs gemacht hatten, oder ob er einfach nur zu abgelenkt gewesen war.
    Die Lederhose raschelte leise, als der andere zu ihm trat. Unter seinen Stiefeln knirschten Schnee und Eis. In der großen Hand trug er eine Schaufel, die er Seth hinhielt.
    Seth warf einen Blick auf das Bündel in seinen Armen. Er wollte sie nicht auf den Boden legen, nicht einmal, um das Grab auszuheben. Aber ebenso wenig wollte er sie in den blutbesudelten Raum zurückbringen, in dem sie gestorben waren.
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte sein Besucher. »Ich kümmere mich darum.«
    Seth hätte es wohl kaum geschafft, seine Verblüffung zu unterdrücken, wenn er nicht vor Schmerz wie betäubt gewesen wäre.
    »Hast du sie gekannt?«, fragte der andere, während er die Schaufel tief in den gefrorenen Boden rammte und zu graben begann.
    »Nicht wirklich. Ich wusste, dass sie
Begabte
waren. Ich behielt sie über die Jahre im Auge, so wie ich es mit allen
Begabten
tue. Aber …«
    »Sie wussten nichts von dir.«
    Seth nickte.
    Das Geräusch, das das Metallblatt der Schaufel machte, wenn es den Boden aufriss, war obszön laut.
    Keiner vor beiden sagte ein Wort, während das Grab Gestalt annahm.
    Als das Loch lang und tief genug war, legte Seth behutsam die beiden Körper hinein.
    Sein Begleiter ließ die Schaufel sinken und sang mit ihm zusammen ein Gebet für Mutter und Sohn. Sie sangen es in einer uralten Sprache, die niemand, der lebte, jemals gehört hatte.
    Als wieder Stille eingekehrt war, nahm Seth die Schaufel zur Hand, um das Loch aufzufüllen. »Können wir das vielleicht ein anderes Mal erledigen?«, fragte er, ohne den anderen anzusehen, dessen hochgewachsene Gestalt ihn um einige Zentimeter überragte.
    »Was erledigen?«
    »Das, wofür du hergekommen bist. Was immer es sein mag. Ich habe heute Nacht wirklich keine Lust auf deine Drohungen. Wenn du und die anderen mehr tun würden, als nur auf ihren kostbaren Hintern zu sitzen und zu beobachten, dann stünde ich jetzt vielleicht nicht hier, um diese beiden zu begraben.«
    »Ich hatte gar nicht vor, heute Nacht Drohungen gegen dich auszustoßen, Cousin.«
    »Na sicher. Willst du mir erzählen, dass du gekommen bist, weil du mich so vermisst hast?«
    »Nein«, antwortete der andere schlicht.
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Seth, wie sein Besucher anfing, auf und ab zu marschieren. Er blieb stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sie wieder hängen. Dann fing er abermals an, hin- und herzutigern.
    Er wirkte etwas … abwesend.
    Unruhig.
    Oder so.
    »Was ist los mit dir?«
    »Nichts.«
    Als Seth das Grab aufgefüllt hatte, legte er die Schaufel auf den Boden und wandte sich wieder dem Haus zu. Er schloss die Augen und beschwor das Bild der Küche herauf. Die Gasleitung

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