Verfluchte Seelen
dass er Sarah jedes Mal warnte, ehe er urplötzlich irgendwo auftauchte.
Seth nickte allen zu, fing an, den Tisch zu umrunden, und blieb dann plötzlich stehen. Er musterte die Anwesenden, bis sein Blick schließlich an David hängen blieb. »Was ist passiert?«
David zögerte. »Ich habe eine von den Rebellengruppen erledigt, die versucht haben, die Lebensmittellieferungen der UN an die Somalier zu verhindern.«
David war gerade noch in Somalia gewesen? Es musste noch einen weiteren Unsterblichen auf der Erde geben, der teleportieren konnte.
»Gute Arbeit. Hattest du Hilfe?«
»Nein.«
Aufmerksam studierte Seth seinen Freund. »Und?«
David machte ein finsteres Gesicht. »Ich habe meinen verdammten Arm dabei verloren.«
Melanie fiel die Kinnlade herunter, während ihr Blick zu Davids breiten Schultern und seinen muskulösen Armen wanderte. Plural.
Mit gerunzelter Stirn trat Seth zu David. »Den linken?«
»Ja.«
»Und du hast ihn wieder befestigt?«
Davids Kiefermuskeln zuckten. »Größtenteils. Die Explosion, die mir den Arm abgerissen hat, hat ziemlich viel Schaden angerichtet.«
Auch wenn das vielleicht etwas morbide erscheinen mochte – Melanie wünschte sich aus tiefstem Herzen, sich so etwas einmal ansehen zu können. Nicht die Explosion natürlich – aber wie David den Arm wieder an seinem Körper befestigt hatte. Sie wüsste nur zu gern, wie er so etwas ausschließlich mithilfe seiner Gabe und seiner Hand zustande brachte.
Davids Blick suchte den ihren. »Vielleicht beim nächsten Mal.«
Entsetzt darüber, dass er ihre Gedanken gelesen hatte, schoss ihr die Hitze in die Wangen.
Kein Grund, sich aufzuregen,
sagte seine freundliche Stimme in ihrem Kopf.
Ich kenne Ihre Motive. Und in diesem Raum gibt es viele, die keine Ärzte sind, die es aber trotzdem gern mal sehen würden.
Ich danke Ihnen. Es tut mir leid, dass Sie verletzt worden sind.
Er nickte.
Seth umfasste mit seinen schlanken Fingern Davids linkes Handgelenk und hob seinen Arm an, bis er auf Schulterhöhe war.
Ein Muskel in Davids Wange trat deutlich sichtbar hervor, er ächzte vor Schmerz und versteifte sich. Seine Augen fingen an, in einem hellen Gelbbraun zu leuchten.
Mit der anderen Hand berührte Seth Davids Schulter, die – Melanie beobachtete es voller Faszination – schwach zu leuchten begann. Sanft glitt Seth’ Hand an seinem Arm entlang bis hinunter zur Hand.
David seufzte erleichtert. Seine Gesichtszüge entspannten sich. Kaum dass seine Anspannung nachließ, verschwand auch das diffuse Unbehagen aus dem Zimmer, das alle Anwesenden wie einen unsichtbaren Kokon eingehüllt hatte.
Davids Schmerzen hatten dazu geführt, dass er unwillentlich eine Anspannung ausgestrahlt hatte, die auf Melanie und die anderen wie Ärger gewirkt hatte.
Als Seth seine Hand wegnahm, hörte sie auf zu leuchten. »Ist es jetzt besser?«
Versuchsweise ließ David den Arm kreisen. »Ja, viel besser. Vielen Dank.«
Seth klopfte ihm auf die Schulter und ging dann zu seinem Platz am Ende der Tafel.
Roland räusperte sich. »Ich hätte doch auch helfen können.«
David schüttelte den Kopf. »Du erholst dich immer noch von den Verletzungen, die du diese Nacht davongetragen hast, und davon, Dr. Lipton zu heilen.«
Blitzschnell riss Sarah den Kopf herum. »Du hast gesagt, dass es dir gut geht.«
Unbehaglich rutschte Roland auf seinem Stuhl hin und her. »Es geht mir ja auch gut … jedenfalls überwiegend.«
»Das ist nicht in Ordnung, Roland.«
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
Sie musterte ihn mit zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen Augen. »Willst du wirklich, dass ich jede Nacht deinen Körper nach Wunden absuche, oder wirst du mir in Zukunft die Wahrheit sagen?«
»Ich bevorzuge die erste Option.«
Die anderen am Tisch kicherten.
Sarah versetzte ihm einen Schlag gegen die Schulter.
»Autsch! Seit du eine Unsterbliche bist, tut das viel mehr weh, weißt du.«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich weiß.«
Seth nahm Platz. »Also gut. Bringen wir’s hinter uns. Darnell hat mir gesagt, dass du wegen irgendetwas sauer bist, Chris. Worum es auch geht, ich nehme an, es dreht sich mal wieder um Bastien. Aber bevor wir dazu kommen … hatte schon jemand Erfolg mit dem Rekrutieren von Vampiren?«
Alle schüttelten die Köpfe.
Bastien beugte sich vor. »Mir ist es möglicherweise gelungen. Ich hätte ihn eigentlich in dieser Nacht treffen sollen, habe die Verabredung aber vergessen, als Dr. Lipton verletzt wurde.
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