Verfluchte Seelen
hoch. »Wir wissen nicht, ob dieser Vampir vertrauenswürdig ist. Es könnte eine Falle sein. Oder er bekommt Angst und macht sich vom Acker. Oder er bietet uns zwar seine Hilfe an, aber es stellt sich heraus, dass er uns nicht weiterhelfen kann, weil das Virus sein Gehirn schon zu sehr zerfressen hat. Von diesen Soldaten hingegen wissen wir sicher, dass sie uns hätten helfen können. Sie müssen einen Vorgesetzten haben, dem sie Bericht erstatten. Und einer der Telepathen hier am Tisch hätte diese Information leicht aus ihnen herausholen können, und dann hätten wir gewusst, wo Emrys seinen Stützpunkt hat – und vielleicht wäre es uns sogar gelungen, ihn selbst dingfest zu machen.«
»Das ist ja alles gut und schön, aber genauso gut hätte es passieren können, dass einer dieser Soldaten Bastien mit einem Betäubungspfeil kampfunfähig gemacht hätte, während er noch damit beschäftigt war, einen, zwei oder ein Dutzend von diesen Männern in seine Gewalt zu bringen«, meldete sich Melanie wieder zu Wort, wobei sie hartnäckig ignorierte, dass Bastien ihr fast die Hand zerquetschte. »Wir hatten keine Ahnung, dass sie da waren – wir haben sie erst bemerkt, als sie auf mich geschossen haben.«
»Wenn er die Zeit gehabt hat, sie zu töten, dann hätte er auch die Zeit gehabt, sie bewusstlos zu schlagen«, behauptete Chris.
»Ich stimme ihm zu«, sagte Marcus.
Seth drehte sich zu Bastien herum. »Er hat recht. Das nächste Mal knebele und entwaffne sie, statt sie zu töten.«
Bastien nickte grimmig.
Melanie fühlte sich schuldig, weil sich Bastien nicht in dieser Lage befunden hätte, wenn die Soldaten nicht auf sie geschossen hätten. Außerdem sah er aus, als würde er sich Vorwürfe machen.
»Ich finde, dass Bastien von seinen Pflichten entbunden werden sollte«, verkündete Chris. »Ich bin der Meinung, dass er nicht mehr die Erlaubnis haben sollte, Vampire zu jagen. Und ich will, dass man ihm die Erlaubnis entzieht, das Netzwerk zu besuchen.«
Diese Forderung löste zwar überraschte Blicke aus, aber keinen Protest.
Allmählich wurde Melanie wütend. »Das können Sie nicht machen. Cliff und Joe brauchen ihn.«
»Daran hätte er denken sollen, bevor er sich ein zweites Mal gewaltsam Zutritt zu Räumen des Netzwerks verschafft hat.«
Seth stöhnte. »Verdammt, Sebastien. Welchen Grund hattest du dieses Mal?«
»Sie wollten mir verbieten, Dr. Lipton zu besuchen«, knurrte er. »Und wenn sich Richart nicht für mich eingesetzt hätte, dann hätte Chris mich wieder in der Arrestzelle angekettet, kaum dass wir das Hauptquartier erreicht hatten.«
Melanie musterte Chris mit offenem Mund. »Sie wollten ihn schon wieder in Ketten legen?«
»Ja«, erwiderte er ungerührt.
»Mit welcher Begründung?«
»Weil er in einem Wutanfall sechsunddreißig Sterbliche getötet hat. Ich wollte nicht das Risiko eingehen, dass er meine Männer verletzt.«
Stanislav sah sich unter den Anwesenden um. »Ich verstehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat.«
Richart nickte. »Deswegen habe ich protestiert. Ich war der Meinung, dass Chris überreagiert.«
Melanie ergriff das Wort. »In Ordnung. Vielleicht kennen ja alle außer mir die Antwort oder sind zu höflich, um zu fragen. Vielleicht ist es ihnen aber auch einfach nur scheißegal. Was mich wirklich interessieren würde …« Sie richtete den Blick auf Chris. »Warum hassen Sie Sebastien so sehr?«
Ein paar von den Unsterblichen – genauer gesagt, die Franzosen unter ihnen – versuchten ein Lachen zu unterdrücken.
Bastiens Kopf fuhr zu ihr herum. »Melanie …«
»Nein. Ich will es wirklich wissen.«
Chris machte ein finsteres Gesicht. »Melanie?«, wiederholte er, offenbar war ihm nicht entgangen, dass Bastien die Ärztin mit dem Vornamen ansprach.
»Also? Was ist es?«, bohrte sie. »Warum haben Sie so einen Hass auf ihn? Ich kann verstehen, warum Roland, Sarah und Marcus ihn nicht leiden können. Schließlich hat Bastien versucht, sie zu töten. Und ich weiß, was die anderen gegen ihn haben.« Sie deutete auf die übrigen Unsterblichen. »Sie sind wütend auf ihn, weil er ihren Freund Ewen getötet hat.« Sie hielt inne. »Und wenn wir schon mal darüber reden – statt ihn wegen dieser Tat abzulehnen und zu verurteilen, sollten Sie sich vielleicht mal fragen, warum David und Seth das nicht tun. Sie sind die klügsten Männer in diesem Zimmer, und keiner von beiden scheint ein Problem mit Bastien zu haben.«
Seth hob einen Finger.
»Mal
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