Verfolgt im Mondlicht
Holiday. Sie konnte nur noch daran denken, wie sie versucht hatte, Ellie zu retten, und wie sie dabei versagt hatte. Wie sie versucht hatte, Roberto zu retten, und wie sie auch da versagt hatte.
Burnetts Schritte hallten laut auf dem Hüttenboden. Sie hörte seinen schmerzerfüllten Schrei. Er wusste es. Er wusste, dass Holiday tot war.
Kylie schaute immer noch nicht auf. Alles, was sie hatte, alles, woran sie glauben wollte, konzentrierte sich auf Holiday. Das durfte nicht passieren. Nicht Holiday.
»Nein!«, schrie Kylie. Nicht Holiday, die immer für Kylie da gewesen war, die ihr immer zugehört hatte, sich immer um sie gesorgt hatte. Kylie dachte an ihre gemeinsame Zeit, wie sie gelacht und nebeneinander am Wasserfall gesessen hatten; wie sie Eis gegessen und über Jungs und Liebeskummer geredet hatten. Wie oft hatte Holiday sie mit ihrer beruhigenden Berührung getröstet?
»Du darfst nicht gehen«, wimmerte Kylie. Tränen liefen ihr über die Wangen und tropften auf Holidays bleiches Gesicht. Kylie strich Holiday sanft über den geschundenen Hals.
Als Kylies Hände nicht warm werden wollten, schloss sie die Augen und betete. Lass mich sie retten. Du hast mir diese Kraft gegeben, also lass sie mich auch benutzen. Ich werde jeden Preis zahlen, selbst wenn es mein eigenes Leben kostet. Hörst du mich? Mein Leben für ihres!
Sie spürte wie es in ihrem Bauch ganz heiß wurde und sich die Wärme bis in ihre Arme ausbreitete. Ihre Hände kribbelten und wurden heiß und immer heißer. Holidays Körper fühlte sich dagegen so kalt an, so leblos unter Kylies Handflächen, aber sie hörte nicht auf. Sie konnte nicht.
»Sie glüht wieder.« Frederickas Stimme drang wie aus weiter Ferne an ihr Ohr.
Doch selbst als Kylies Leuchten den Raum erhellte, änderte sich Holidays Zustand nicht. Burnett stöhnte hinter ihr auf. Es war das Letzte, was Kylie hörte, bevor es schwarz um sie wurde.
Dunkelheit umfing sie. Kylie fühlte sich unendlich erschöpft. Wo war sie? Warum war sie so ausgelaugt? So tot?
Sie versuchte, die Augen zu öffnen, aber es war zu anstrengend. Wach auf! Wach auf!, schien ein Teil ihres Gehirns zu verlangen. Sie hatte das Gefühl, dass es wichtig war, aufzuwachen, und sie kämpfte gegen den Nebel in ihrem Kopf.
Als er sich endlich lichtete und ihre Erschöpfung nachließ, kam sie wieder zu sich. Sie war in den Armen von jemandem – jemandem, der rannte. Kylies Körper wurde bei jedem Schritt durchgerüttelt. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen und sah … Fredericka?
Was machte …?
»Lass mich sofort runter«, befahl Kylie.
»Burnett hat gesagt, ich soll dich tragen«, zischte ihr Fredericka zu. »Glaub mir, ich mag es auch nicht.«
»Dann lass mich runter!«, verlangte Kylie wieder, und die Werwölfin blieb abrupt stehen und setzte sie nicht gerade sanft auf dem Boden ab. Als sie mit dem Po auf dem harten Boden aufschlug, kam es alles zurück.
Collin Warren hatte Holiday.
Holiday … tot.
Schmerz schnürte ihr die Kehle zu.
Kylie sprang auf die Füße und erblickte Burnett, der eine leblose Holiday in den Armen trug.
Kylie rannte auf ihn zu. »Lass es mich noch einmal probieren!«, bettelte sie.
»Nicht nötig«, entgegnete Burnett kurzangebunden.
»Aber vielleicht kann ich ja dieses Mal …«
»Kylie! Du hast sie schon gerettet«, rief Burnett. »Sie ist schwach, aber sie atmet. Jetzt lass Fredericka dich zurück zum Camp tragen, damit wir euch beiden helfen können.«
»Mir geht’s gut«, behauptete Kylie.
»Du glühst aber immer noch, Kylie«, erwiderte Burnett. »Und ich hab keine Ahnung, was das bedeutet.«
Kylie wusste es auch nicht. Aber es war ihr auch egal. Sie starrte wie gebannt auf Holidays Brustkorb und wartete auf einen sichtbaren Atemzug. Dabei hielt sie selbst die Luft an.
Erst als Holiday einatmete, erlaubte sich auch Kylie, wieder Sauerstoff in ihre Lunge zu lassen.
»Lasst uns gehen«, murmeltet Burnett. »Ich hab einen Arzt bestellt, der im Camp auf uns wartet.«
Kylie lief los, aber sie schaffte es nicht annähernd so schnell wie sonst – jeder einzelne Muskel in ihrem Körper brannte. Aber sie wollte sich nicht beschweren. Holiday war am Leben und sie auch. Das war alles, was zählte.
Kylie wartete still und immer noch glühend in Holidays Wohnzimmer, während der Arzt Holiday in ihrem Schlafzimmer untersuchte. Burnett lief unruhig auf und ab und lauschte offenbar auf das, was hinter der Tür geredet wurde.
Die anderen Schüler hatten sich alle
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