Verfolgt im Mondlicht
anderen zu ignorieren.
Nein, das Leuchten war nicht mehr ihr Problem. Jetzt war es wieder ihr Muster, das sich mal wieder verändert hatte. Sie war endlich ein Werwolf, und Lucas war nicht da, um sich daran zu erfreuen. Socke auch nicht. Ihre kleine Katze war den ganzen Morgen nicht unterm Bett hervorgekommen. Er hatte seine Vorurteile deutlich gemacht. Genau wie die anderen Werwölfe im Camp. Nicht ein Einziger war bei ihr vorbeigekommen, um ihr Hallo zu sagen oder … dass sie zur Hölle fahren sollte.
»Schaffst du das?«, fragte Della.
»Mit links«, antwortete Kylie. In dem Moment betrat Hayden Yates den Speisesaal. Kylie machte innerlich einen Luftsprung. Er war zurück. Es war so erleichternd zu wissen, dass sie nicht mehr allein war.
Wir sind deine Familie. Die Worte ihres Großvaters hallten in ihrem Kopf wider.
»Du kannst immer noch so gar nicht lügen«, stellte Della fest.
Kylie wandte schnell den Blick von Hayden ab, damit niemand auf den Gedanken kommen konnte, dass sie ein Geheimnis teilten.
Della hatte recht. Sie hatte gelogen. Sie schaffte es nicht, und schon gar nicht mit links. Sie war verwirrt, ängstlich und besorgt. Das Leuchten hatte zwar endlich aufgehört, aber was würde als Nächstes passieren? Wegen welcher verrückten Sachen würde sie wieder ihren Großvater anrufen oder Hayden um Hilfe bitten müssen? Und wenn sie wirklich nach Shadow Falls gehörte, warum war dann plötzlich Haydens Anwesenheit für sie so tröstlich?
»Lasst uns mit der Show beginnen«, verkündete Chris, der die Lern-deine-Campkollegen-kennen-Stunde organisierte, nach dem Frühstück. Kylie stand neben Della vor dem Speisesaal. Sie unterdrückte das Bedürfnis, sich Luft zuzufächeln. An den plötzlichen Anstieg ihrer Körpertemperatur würde sie sich erst noch gewöhnen müssen.
»Und die Erste auf unserer heutigen Liste ist keine Geringere als unsere neue Werwölfin.« Chris’ Blick fiel auf Kylie.
Kylie stockte der Atem. Die ersten Leute, die Chris nannte, waren für gewöhnlich diejenigen, für die jemand mit seinem Blut bezahlt hatte, damit der Name gezogen wurde. Kylie schaute schnell zu Derek rüber. Aber der starrte mit sorgenvoller Miene zu Chris.
»Kylie, du wirst in den Genuss von Frederickas Gesellschaft kommen.«
O spitze. Die Werwölfin hatte ihr anscheinend nur das Leben gerettet, damit sie es ihr später nehmen konnte.
»Ich kann euch folgen, wenn du willst«, flüsterte Della ihr zu.
Kylie schüttelte den Kopf. Sie hatte es satt, immer von anderen beschützt werden zu müssen. »Nein.«
Fredericka kam auf sie zu. »Wollen wir zum Bach gehen?«
»Klar«, antwortete Kylie. Warum nicht? Der Bach wäre doch ein netter Ort zum Sterben.
»Bis später«, sagte Della mit einer unterschwelligen Warnung an Fredericka.
Sie gingen los, und weder Kylie noch Fredericka sagten ein Wort. Kylie lauschte auf die Geräusche um sie herum, sie konnte noch nicht mal ihre Schritte hören. Die Fähigkeit, sich so geräuschlos zu bewegen, gehörte wohl dazu, wenn man Werwolf war. Kylie überlegte die ganze Zeit, was Fredericka wohl im Schilde führte.
Bis ihr kleiner Vogelfreund auftauchte und für sie ein Lied trällerte.
Fredericka runzelte genervt die Stirn. Kylie scheuchte den Vogel weg. »Hau ab!«
Als sie weitergingen, konnte Kylie wieder ihren Gedanken nachhängen. Sie glaubte eigentlich nicht, dass Fredericka vorhatte, sie umzubringen. Andererseits, hatte sie es nicht schon einmal versucht? Den Löwen in ihr Zimmer zu lassen war zumindest nicht sehr nett gewesen. Aber wenn das Mädchen einen Mord planen würde, wäre es nicht sehr clever, das ganze Camp wissen zu lassen, dass sie mit Kylie zum Bach unterwegs war.
Dann kam ihr ein anderer Gedanke. War Fredericka vielleicht sauer, weil Kylie sich nicht bei ihr dafür bedankt hatte, dass sie ihr das Leben gerettet hatte?
Besser spät als nie.
»Burnett hat mir erzählt, dass du mir das Leben gerettet hast«, setzte Kylie an. »Ich wollte mich noch dafür bedanken.«
Frederickas schwarze Haare schwangen beim Gehen um ihre Schultern. Sie war mindestens zehn Zentimeter größer als Kylie und wog mal locker zehn Kilo mehr. Trotzdem hatte Kylie nicht wirklich Angst vor ihr.
»Ich hab es wahrscheinlich mehr für Holiday getan als für dich«, entgegnete die Werwölfin gleichgültig.
Wahrscheinlich? »Das hab ich mir schon gedacht, aber trotzdem danke.«
Fredericka nickte und verfiel wieder in Schweigen. Kylie hasste betretenes Schweigen. »Hast
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