Verfuehre niemals einen Highlander
Bei der Erinnerung daran, in welcher Gefahr sie geschwebt hatten, brodelte Zorn in ihm auf, eine Wut, heißer als die Flammen auf dem Heuboden. Es gab nur einen Weg, sich abzureagieren. Suchend schaute er sich im Hof um, doch nirgends war jemand zu sehen, der wie sein früherer Verwalter aussah. Sanft schob er Selina zu McKinly hinüber. „Geben Sie auf sie Acht.“
„Ian, warte“, rief sie, „er ist gefährlich!“
Unwillkürlich musste er lächeln. „Das bin ich auch, Mädchen!“, verkündete er. Dann suchte er in dem Gewimmel unten im Hof nach Tammy McNab. „Sag, hast du Tearny gesehen?“, fragte er ihn.
Tammy wirkte ein wenig unsicher. „Ist die Straße langgerannt. Um mehr Hilfe zu holen, hat er gesagt.“
Die Ratte rennt in ihren Bau zurück. Aber nicht bevor er ihn erwischte. Mit Riesenschritten folgte er dem Karrenpfad, der zur Straße führte. Nicht lange, und er fand seine Beute. Zusammengekrümmt, nach Luft schnappend, kauerte der Mann am Straßenrand – und dachte vermutlich, er wäre entkommen.
Ian lächelte grimmig.
Der Mann musste gespürt haben, dass er nicht mehr allein war, denn er richtete sich auf und sah sich um. Ihm fiel die Kinnlade herunter. Schock. Entsetzen. Er rannte los, doch mit seiner Leibesfülle hatte er gegen Ian keine Chance. Als er das merkte, schlug er sich von der Straße weg bergab, hoffte vermutlich, ihm in dem Heidegestrüpp entwischen zu können. In seiner Eile stolperte er immer wieder auf dem rauen Grund.
Wie der Blitz war Ian hinter ihm. Tearny wirbelte herum, zog sein Messer und streckte es ihm entgegen. Seine Brust hob und senkte sich heftig, und er rollte wild mit den Augen.
Ian zog seinerseits einen Dolch. „Geben Sie auf, Tearny. Sie kommen damit nicht durch.“ Und griff an.
Tearny wich aus und versuchte zuzustechen. Die Klinge zerfetzte Ians Hemd und ritzte seine Haut. Es stach wie der Teufel. Blut rann ihm warm über die Brust, doch ein Blick zeigte ihm, dass es nicht mehr als ein Kratzer war. Aber der Mann war verflixt schnell mit dem Messer. Also musste er sich vorsehen.
Tearny grinste siegessicher. „Wie nett, dass Sie mir gefolgt sind. Da kann ich die Sache endgültig beenden.“
Das klang völlig unsinnig. „Worauf sind Sie aus? Ich habe Ihr Gehalt ohne Abzüge gezahlt.“
Der Bursche grinste immer noch.
„Hat Albright Sie angestiftet?“
„Einem Toten nützt die Antwort nicht mehr.“
Ian stürzte sich erneut auf ihn, versuchte, ihn von hinten zu packen, ihm mit einem Arm die Luft abzuschnüren. Doch mit einer raschen Drehung wich Tearny aus und stieß gleichzeitig mit seinem Messer nach ihm. Er verfehlte ihn. Doch seine Augen blitzten wachsam. Dann schaute er plötzlich über Ians Schulter hinweg. Verdutzt riss er die Augen auf.
Ein Komplize? Ian schob sich seitwärts und riskierte einen Blick. Dann stöhnte er laut. Selina kam den Hügel hinaufgelaufen. Allein. Ihre ganze Haltung drückte Entschlossenheit aus. Es machte Ian schrecklich stolz auf sie. Und zornig. Das Wort ‚Warte‘ schien in ihrem Wortschatz nicht vorzukommen.
Aber nein, sie war doch nicht allein. Hinter ihr über der Hügelkuppe erschien McKinly, gefolgt von Tammy. Ian wandte sich Tearny zu. „Da sind wir wohl in der Überzahl!“
Der Mann machte kehrt und floh.
Der Dummkopf. Wohin konnte er schon gehen? Ian rannte ihm nach und sah verblüfft, wie er stolperte und lang ins Gras flog. Wie er so völlig verdattert am Boden lag und sich auch dann nicht rührte, als Ian ihn erreichte, tat er ihm beinahe leid.
Vorsichtig näherte er sich ihm und drehte ihn auf den Rücken, sah in weit aufgerissene Augen und ein vor Schmerz verzerrtes Gesicht.
Einen Moment stutzte er, dann sah er das Messer, das aus Tearnys Brust ragte. Der Mann war in seine eigene Klinge gestürzt. Ian drehte sich der Magen. Er ließ sich auf ein Knie nieder. Der Mann starrte ihn an. „Es ist nicht vorbei, Gilvry. Ich habe meine Schuld bezahlt, deine ist noch fällig.“
„Wovon zur Hölle reden Sie?“ Ian zog seinen Frackrock aus, wollte irgendwie die Blutung stillen. Tearny röchelte heiser, als sein Blick sich trübte und seine Augen blicklos in den Himmel starrten.
Als Ian merkte, dass Selina sich näherte, stand er auf, um ihr den Blick zu versperren. „Er ist tot. Durch seine eigene Hand.“
Selina wandte sich ab, ihre Miene drückte Zweifel aus.
„Ich schwöre dir, ich habe ihn nicht angefasst.“
„Ich weiß.“
„Warum dann die Zweifel?“
„Du bist verletzt“,
Weitere Kostenlose Bücher