Verführer der Nacht
Gefährtinnen, und wir müssen sie finden. Du bist Rafaels Gefährtin. Riordan, mein jüngster Bruder, hat seine Gefährtin im Regenwald gefunden, was für uns einerseits ein Schock, andererseits ein Grund zum Hoffen war.«
»Wie weiß man es mit absoluter Gewissheit? Ich bin mir nicht sicher. Ich fühle mich unwiderstehlich zu Rafael hingezogen – fast als wäre ich ihm hörig. Das macht mir Angst. Normalerweise reagiere ich nicht so auf Männer.«
»Es ist keine Hörigkeit, obwohl ich gehört habe, dass es einem manchmal so vorkommt. Wenn ich an dein Bewusstsein rühre, fühle ich deine Verwirrung und die Angst, die du empfindest. Wir sind alles, was du von uns glaubst – mächtig und gefährlich und zu furchtbaren Zerstörungen fähig –, aber wir sind nicht imstande, unserer Gefährtin etwas anzu-tun.«
»Nur, sie zu beherrschen?«
»Du bist es nicht gewohnt, dich einem Mann zu unterwerfen.«
»Ich bin überhaupt nicht unterwürfig; es entspricht nicht meinem Charakter. Wie können wir beide jemals übereinstimmen? Ist es nicht möglich, dass ein Irrtum vorliegt?«
»Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Du hast ihm die Farben dieser Welt wiedergegeben, und durch ihn auch mir. Ich habe seit Hunderten von Jahren keine Farben mehr gesehen. Du hast ihm Gefühle gegeben und dadurch auch mir. Ich konnte fühlen, was er für dich empfindet, die ungeheure Liebe in seinem Herzen und das Bedürfnis, über dich zu wachen und dich zu beschützen. Diese Empfindungen würde ich gern selbst haben.«
»Wie kann ich« – sie zögerte, bevor sie es aussprach – »seine Gefährtin des Lebens sein, wenn ich als Mensch zur Welt gekommen bin?«
»Ich weiß nur, dass Frauen mit übernatürlichen Fähigkeiten erfolgreich zu Karpatianerinnen umgewandelt werden können und dass diese Frauen Gefährtinnen für unsere Männer sein können. Ich habe Riordans Gefährtin noch nicht kennengelernt, aber er hat mir erzählt, dass sie ein Abkömmling der Jaguar-Menschen ist.«
Colby lächelte. »Mein Brader behauptet, ich könnte eine Wildkatze sein, doch ich bezweifle, dass etwas von einem Jaguar in mir steckt. Ich konnte im Turnunterricht an der Highschool jedenfalls nie sehr hoch springen.«
»Wir hatten auch so etwas wie eine Schule.« Nicolas verschränkte seine Arme vor der Brust. »Zuerst mussten wir lernen, eine andere Gestalt anzunehmen. Es war nicht annähernd so leicht, wie wir es uns vorgestellt hatten.«
»Das klingt ziemlich cool«, gab Colby zu. »Die Vorstellung, fliegen zu können, gefällt mir. Ich wünschte, ich könnte es. Glaub mir, wenn du acht Stunden auf einem Pferd sitzt, tut dir jeder Knochen weh.«
»Ich kann mich erinnern, wie Rafael versuchte, sich in einen Wolf zu verwandeln. Es war sein erster Versuch, und er war nicht erfolgreich. Ein Teil von ihm hatte ein Fell, und ein anderer Teil hatte Beine, wo keine sein sollten. Wir waren natürlich alle dabei, wie immer. Die Brüder De La Cruz und die Brüder Malinov. Wir wälzten uns vor Lachen auf dem Boden, aber als Ruslan, der Älteste der Malinovs, zu lachen anfing und mit dem Finger auf Rafael zeigte, stürzte sich Zacarias, mein ältester Bruder, auf Ruslan, weil er sich über Rafael lustig machte. Das Ganze endete in einer allgemeinen Rauferei. Und Rafael war dabei die ganze Zeit halb Mann, halb Tier.«
Colby musste lachen. Nicolas schilderte den Vorfall sehr anschaulich und lieferte ihr die entsprechenden Bilder zu der Geschichte. Rafael sah so jung und unschuldig aus, kein bisschen wie der arrogante Mann, an den sie gebunden war. »Was ist mit dir? Wie war dein erster Versuch, deine Gestalt zu wechseln?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Nicolas' Miene wurde wieder verschlossen. Er zuckte lässig die Schultern, aber Colby hatte nicht das Gefühl, dass es ihm gleichgültig war. »Ich kann mich nicht erinnern.«
»Du hast dich an Rafaels ersten Versuch doch so lebhaft erinnert.« Selbst an die Farben der Bäume, die unterschiedlichen Blätter, die Gerüche und Geräusche. Sie hatte im Geist das Summen von Insekten gehört.
Er stand auf. »Es war Rafaels Erinnerung, nicht meine. Du hast ihm diese Dinge zurückgegeben, und er teilt sie mit mir.«
Colby studierte den grausamen Zug, der um seinen Mund lag, die Abgekehrtheit in seinen Augen. »Du bist sehr dicht davor, zu einem dieser Monster zu werden, nichtwahr?«, fragte sie. Ihr blutete das Herz seinetwegen. Und Rafaels wegen.
»Ja. Ohne die Erinnerungen, die meine Brüder mit mir teilen, würde
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