Verführer der Nacht
sind stolz auf das, was Sie leisten. Rafael wollte nicht, dass wir Sie fragen. Er sagte, Sie hätten viel zu viel zu tun.«
»Wahrscheinlich hat er sich darüber aufgeregt, dass ich versuche, Männerarbeit zu machen«, meinte Colby. »Er ist ein totaler Chauvinist.«
Joclyn versuchte nicht, es zu leugnen. Die De La Cruz-Brüder strahlten eine Kälte aus, die sie beunruhigend empfand, aber sie hatte nicht vor, über die Geschäftspartner ihres Mannes zu sprechen. »Ich musste trotzdem den Versuch unternehmen. Seit mein Mann und ich hierher gezogen sind, höre ich ständig: ›Colby ist die beste Fährtenleserin, die beste Trainerin, diejenige, die sich am besten mit Pferden auskennt.‹ Es heißt, Sie hätten eine Gabe.«
Colbys Grinsen war eindeutig teuflisch. »Ich hoffe, all das ist in Gegenwart der De La Cruz-Brüder, vor allem Rafaels, geäußert worden.«
»Unweigerlich«, lachte Joclyn.
Colby, die bei aller Abneigung gegen Rafael De La Cruz fair bleiben wollte, sagte: »Ich habe gehört, dass Rafael und sein Bruder Nicolas hervorragend mit Pferden umgehen können.«
Joclyn nickte langsam. »Das stimmt. Ich habe sie im Umgang mit Pferden erlebt. Obwohl sie für Rancher zu ziemlich eigenartigen Zeiten auf den Beinen sind. Sie sind Nachtschwärmer. Ich glaube, sie leben in Brasilien recht gut. Ich habe gesehen, wie Rafael zu einem schwer verletzten Pferd ging und es mit einer Berührung seiner Hände beruhigte. Es war erstaunlich.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Erinnerung klarer werden lassen. »Aber sie sind nicht sehr gut im Umgang mit Leuten. Zumindest nicht mit Kindern. Ich glaube, keiner von beiden hat meiner Tochter auch nur einen Blick gegönnt. Vielleicht fühlen sie sich durch ihre körperliche Behinderung gehemmt. Viele Leute reagieren so. Tanya wurde vor zwei Jahren von einem Auto angefahren und geht seitdem an Krücken. Die Kinder an ihrer früheren Schule waren sehr grausam, und sie wurde sehr still und in sich gekehrt.«
Joclyn spielte nervös mit ihrem Glas, um Colbys beunruhigend festem Blick auszuweichen. »Ich weiß, dass es viel Zeit kosten würde, Zeit, die Sie brauchen, um Pferde zu trainieren. Wir wären bereit, Ihnen dasselbe zu zahlen, was Sie für die Ausbildung eines Pferdes bekommen; auf diese Weise wäre es kein finanzieller Verlust für Sie.« Sie sprach sehr schnell, als hätte sie Angst vor Colbys Reaktion. »Es ist ihr sehr wichtig, das Erste, wofür sie Interesse zeigt, seit... «
»Einen Moment! Warten Sie!« Colby, deren angeborenes Mitgefühl für das kleine Mädchen bereits erwacht war, tätschelte tröstend Joclyns Hand. »Es geht nicht so sehr um Geld, als vielmehr um die Zeit. Ihre Tochter muss selbst das Tempo, in dem sie lernt, vorgeben, und darf sich von meinem Zeitplan nicht unter Druck gesetzt fühlen. Vielleicht könnte meine Schwester Ginny uns helfen. Sie reitet, seit sie zwei Jahre alt war. Ich könnte die Lektion anfangen, dann Ginny übernehmen lassen und das Ganze ein bisschen überwachen. Was ist mit Ihnen? Reiten Sie?«
Joclyn errötete und senkte den Kopf. »Ich fürchte mich vor Pferden«, gestand sie. »Ich bin ein totaler Stadtmensch. Als Sean vorschlug, hierher zu ziehen und eine Ranch zu kaufen, wäre ich vor Angst beinahe gestorben. Aber ich wollte Tanya nicht auf dem Internat lassen, und wir waren so viel auf Reisen, dass wir keine andere Wahl hatten. Zumindest war es für uns eine Möglichkeit, zusammen zu sein.«
»Ich kenne gar kein anderes Leben«, sagte Colby nachdenklich. »Meine frühesten Erinnerungen kreisen darum, wie mein Vater mich vor sich in den Sattel hebt und die ganze Ranch abreitet. Seltsam, für mich war es immer ganz normal. In einer Großstadt wäre ich verloren.«
»Und ich bin hier verloren.« Joclyn versuchte es mit einem kleinen Lachen, mit dem sie keiner von ihnen etwas vormachen konnte.
»Keine Angst, ich würde Sie nicht einfach auf irgendein Pferd setzen. Ich habe ein paar wundervolle, sehr ausgeglichene Tiere. Sie könnten zusammen mit Tanya Stunden nehmen, das heißt, falls Tanya immer noch reiten möchte, wenn sie mich erst einmal kennengelernt hat.« Colby versuchte, nicht daran zu denken, was Paul zu der Verpflichtung sagen würde, die sie damit auf sich nahm.
»Sie kann über nichts anderes mehr reden, als über das Reiten.« Die Erleichterung auf Joclyns Gesicht war so offensichtlich, dass Colby sich abwandte. Dabei fiel ihr Blick auf ein Paar kohlschwarze Augen unter spöttisch
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