Verführer der Nacht
mochte ihn ja nicht einmal. Colby versuchte, sein Bewusstsein zu erreichen, und spürte seine schreckliche Müdigkeit. Sie fühlte, wie sehr sein Körper danach verlangte, jede Tätigkeit einzustellen. Seine Haut brannte, und seine Augen stachen, als würden heiße Nadeln in sie hineingestoßen. Was ist mit dir? Warum hast du solche Schmerzen ? Plötzlich hatte sie sehr, sehr große Angst – um ihn.
»Colby?« Paul klopfte zögernd an die Zimmertür. »Alles in Ordnung?« Er stieß die Tür weit genug auf, um seinen Kopf hereinzustecken.
Als sie in sein junges, besorgtes Gesicht sah, fühlte Colby, wie ihre Kraft und Entschlossenheit stärker als je zuvor zurückkehrten. »Ich schaffe es schon, Paul«, beruhigte sie ihn. »Und du?« Antworte mir! Sie würde noch zu schreien anfangen, wenn sie nicht wusste, ob mit Rafael alles in Ordnung war. Hatte er sich verbrannt?
»Ich glaube, es wird erst heute Abend oder morgen bei mir einschlagen. Im Moment stehe ich noch unter Schock.« Paul kam zu ihr und strich ihr das Haar aus der Stirn. »Du hast überall blaue Flecken.« Er zeigte auf ihren Oberschenkel. »Ist die Verletzung sehr schlimm? Es war jede Menge Blut auf deinem Bein«, bemerkte er in dem etwas unbeholfenen Versuch, seine Liebe und Fürsorge zu zeigen.
Mir geht es gut. Schön zu wissen, dass du dich um mich sorgst.
»Ich halte einiges aus, Paul, und ich bin schon schlimmer von Pferden getreten und auf den Boden geworfen worden. Was ist mit Ginny? Wie geht es ihr?« Rafael hatte recht. Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie die Lautstärke der Geräusche regulieren und den Ansturm auf ihre Sinnesorgane reduzieren. Aber sie konnte nicht aufhören, an ihn zu denken. Genauso wenig konnte sie sich davon abhalten, immer wieder zu versuchen, ihn geistig zu erreichen.
»Ginny hat für die Hilfskräfte Essen und Trinken zubereitet«, sagte Paul. Er räusperte sich. »Ich glaube, du kommst jetzt besser raus. Der Einsatzleiter der Feuerwehr will mit dir sprechen. Sean Everett hat ein paar Sachen gefunden, die du dir ansehen solltest. Im Stall stehen rußgeschwärzte Kerosin-behälter.«
Colby nickte und folgte ihrem Bruder schweigend in die Küche zu den anderen. Sie musste tief Luft holen, um nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren. »Jemand hat das Feuer also gelegt.« Sie sprach laut, um es mit eigenen Ohren zu hören. Es war unfassbar. »Wer könnte so etwas tun?«
Sean schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Colby, aber die Alarmanlage war abgeschaltet, und jemand hat sich an der Sprinkleranlage zu schaffen gemacht. Wer es auch war, er ist sehr gründlich und äußerst professionell vorgegangen. Wir können von Glück sagen, dass wir die Scheune und die Nebengebäude retten konnten.«
Einen Moment lang, während Colby die Bedeutung dieser Worte verdaute, herrschte Schweigen. Dann hob sie den Kopf und schaute die Runde grimmig dreinblickender Männer im Zimmer an, Pauls blasse Gesichtszüge und die kleine Ginny, die sich unsicher in eine Ecke drückte. Rafael stand hoch aufgerichtet neben ihr und schirmte das Mädchen mit seinem Körper vor den Blicken der anderen Männer ab.
Colby schämte sich sofort für sich selbst. Sie nahm Ginny in die Arme und hauchte einen Kuss auf die verschmierte Stirn ihrer Schwester. »Ich glaube, das waren genug Aufregungen für dich, Liebes«, erklärte sie fest. »Danke für deine Hilfe, für den Kaffee und das Essen für alle. Daran hätte ich überhaupt nicht gedacht. Nimm eine Dusche und leg dich noch ein paar Stunden ins Bett. Es wird viel harte Arbeit erfordern, alles wieder halbwegs in Ordnung zu bringen.« Sie schaute Rafael an. Danke, dass du dich um sie gekümmert hast.
Sofort hatte sie das Gefühl, dass Finger in einer zarten Liebkosung über ihr Gesicht strichen, obwohl Rafael sich nicht bewegt und sie nicht berührt hatte. Sie konnte die Erschöpfung sehen, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete. Seine Augen verbargen sich hinter dicken, schwarzen Gläsern, die so dunkel waren, dass sie nicht hindurchschauen konnte. Colby konnte immer noch spüren, wie müde und ausgelaugt er war und welche Qualen er litt, obwohl sie merkte, dass er eine Barriere um sich errichtete, damit sie seine Schmerzen nicht spürte. Und sie konnte sehen, dass sich die Brüder Chevez um ihn sorgten. Sie standen dicht beieinander vor dem Fenster und beobachteten Rafael beunruhigt.
»Was können wir tun?«, fragte Ginny ängstlich. »Wir werden die Ranch doch nicht verlieren,
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