Verführer der Nacht
– ich wusste, dass er es auf die Ranch abgesehen hatte und dass er der Grund war, warum man mich auf der Bank abgewimmelt hatte. Aber mir war auch klar, dass er uns Zeit lassen würde, wenn er glauben durfte, vielleicht Chancen bei mir zu haben.« Ihre grünen Augen verdunkelten sich vor Scham. »Ich nahm das Geld und habe es seit damals jeden Monat geschafft, die erforderlichen Raten zu bezahlen, doch jetzt ist eine Schlussrate fällig. Falls ich nicht schnell einen Teil unseres Landes verkaufen kann, sind wir die Ranch los. Und ein Verkauf ist nicht leicht, da sie Teil eines Treuhandvermögens ist.«
Paul war ihnen unter dem Vorwand, sich eine Tasse Kaffee einschenken zu wollen, in die Küche gefolgt. Colby musste von den heutigen Ereignissen völlig am Boden zerstört sein, wenn sie derart persönliche Dinge einem Mann erzählte, den sie kaum kannte. Sie musste unter Schock stehen. Paul drehte sich um. Er wollte die Dinge ins richtige Licht rücken. »Wenn man Colby so reden hört, könnte man glauben, sie hätte sich verkauft. Aber alles, was sie getan hat, war, dafür zu sorgen, dass es hier weiterging, nachdem unsere Familie sich nicht die Mühe gemacht hatte, nach dem Tod unseres Vaters Kontakt mit uns aufzunehmen. Sie hat schwer geschuftet, um uns aus den Schulden rauszuholen, und sie hat mehr geschafft, als zwei Männer hätten leisten können. Es gibt nichts, wofür sie sich schämen müsste!«
»Mir ist klar, dass deine Schwester bockig wie ein Maulesel ist«, sagte Rafael grimmig, »aber dir hätte ich mehr Grips zugetraut, Junge. Du hättest mir oder deinen Onkeln das sofort erzählen müssen, statt weiter zuzusehen, wie sich deine Schwester aufreibt.« Seine Stimme war sehr leise, doch sie traf Paul wie ein Peitschenschlag.
»Wage es ja nicht, so mit ihm zu reden!« Colbys Temperament meldete sich, und ihre grünen Augen funkelten. Sie knisterte förmlich vor Wut und ballte ihre Hände zu Fäusten. Nun ging sie sogar einen Schritt auf Rafael zu.
Er spürte die Macht, die plötzlich in der Luft vibrierte, so stark, dass einige Töpfe, die an Haken hingen, hin und her schwankten und klirrend aneinanderstießen, sodass Colby erschrocken herumfuhr. Ihre Haut erblasste unter der Rußschicht, und sie holte sofort tief Luft, um ruhiger zu werden.
Ein Lachen wärmte Rafaels Augen. »Überleg es dir lieber gut, pequena, ehe du dich mit mir anlegst. Wie soll ich denn den Scheck unterschreiben, wenn du mich verprügelst?«
»Sie wollen uns das Geld leihen?«, platzte Paul heraus.
»Ausgeschlossen, Paul, das kommt überhaupt nicht infrage!« Colby geriet schon bei der Vorstellung in Rage. »Ich verkaufe meine Seele nicht an den Teufel, nicht einmal, um die Ranch zu retten. Um keinen Preis!« Sie würde sich wie eine Prostituierte fühlen, und wie sollte sie das Ginny und Paul erklären?
»Deine Manieren lassen zu wünschen übrig«, stellte Rafael fest. Seine samtweiche Stimme war plötzlich mit Stahl unterlegt, und in seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »In Wahrheit hast du bereits einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, und ob es dir passt oder nicht, du brauchst Hilfe.«
Sie reckte ihr Kinn und blitzte ihn aus ihren grünen Augen an. »Nicht von dir oder der Familie Chevez. Ihr hattet eure Chance, uns zu helfen, und ihr habt unseren Vater allein sterben lassen.«
Alarmglocken schrillten in Pauls Kopf. Colby war durchaus imstande, den Versuch zu unternehmen, Rafael am Kragen zu packen und vor die Tür zu setzen. Aber sie konnten es sich nicht leisten, sich diesen Mann zum Feind zu machen. »Halt die Luft an, Colby. Ich möchte hören, was er zu sagen hat. Welche Bedingungen sind mit Ihrem Angebot verbunden?«
Colby starrte ihren Bruder böse an. »Egal, wie die Bedingungen lauten, wir können sie uns nicht leisten. Hast du denn gar nichts aus meinen Fehlern gelernt, Paul?«
»Ich will es einfach wissen«, beharrte er und bewies, dass er genauso stur sein konnte wie seine ältere Schwester, wenn es die Situation erforderte. »Glaubst du, ich weiß nicht, dass du jede Nacht höchstens vier Stunden Schlaf bekommst? Schau dich doch an, Colby, du bist total abgemagert.«
»Vielen Dank«, brauste sie auf. Sie fühlte sich schon wieder gedemütigt. »Wenn ihr zwei mich jetzt entschuldigen wollt, ich muss duschen.« Colby marschierte, stocksteif und ohne einen Blick in seine Richtung zu werfen, an Rafael vorbei, weil seine Aufmerksamkeit bei dem Wort »duschen« plötzlich auf ihren Körper gelenkt wurde. Sie
Weitere Kostenlose Bücher