Verführer oder Gentleman? (German Edition)
und die Herkunft ihrer Mutter. Denn solche Enthüllungen konnten womöglich zu Komplikationen führen.
Nach einer Weile schwiegen sie und beobachteten, wie die Reiter der ersten drei Hindernisrennen die Ziellinie überquerten. Im Lauf des Nachmittags wurde die Menschenmenge etwas ruhiger. Nachdem viele der Männer ihren Hunger und Durst gestillt hatten, streckten sie sich träge im Gras aus, von der Hitze ermattet.
Immer wieder spähte Juliet in Lord Lansdownes Richtung – unfähig, gegen seine Anziehungskraft zu kämpfen. Als er ihren Blick spürte, schaute er zu ihr herüber. Dann entschuldigte er sich bei seinen Freunden, bahnte seinem schönen, rastlosen Hengst einen Weg durch die Menge und ritt zu ihr.
In diesem Moment verdrängte seine Nähe alle anderen Gedanken, alles war vergessen. Seine offenkundige Freude über die Begegnung machte sie ganz verlegen. Plötzlich wiegte sie sich in der Illusion, der Duke of Hawksfield hätte nur Augen für sie – bis er aus dem Sattel stieg und seine Schwester liebevoll auf die Wange küsste.
„Heute siehst du bemerkenswert gut aus, Cordelia.“
„Nicht so gut wie du, mein lieber Junge, und ich hoffe, deine Reitkünste sind genauso grandios, weil ich eine schöne Stange Geld auf dich gesetzt habe. Davon will ich was wiedersehen.“
„Sei versichert, ich werde mein Bestes tun. Wann fährst du in die Stadt?“
„Morgen. Ich freue mich schon auf Lord Fitzherberts Ball. Natürlich erwarte ich, dass du mich begleitest.“
„Wie immer wird es mir ein Vergnügen sein, Cordelia. In zwei Tagen folge ich dir – so wie die Howards und Charles Sedgwick.“ Nun schweifte sein Blick zu Juliet. In ihrem blau und weiß gestreiften Kleid und mit dem passenden blauen Hut sah sie reizend aus. Wie schaffte sie es nur, so verführerisch und gleichzeitig so bezaubernd unschuldig zu wirken? „Und Sie, Miss Lockwood? Amüsieren Sie sich?“
„O ja, ich war schon lange nicht mehr auf einem Jahrmarkt.“
„Interessieren Sie sich für das nächste Rennen?“
„Wie Sie wissen, verstehe ich nichts von Pferden, von Hindernisrennen noch weniger – und von Wetten habe ich erst recht keine Ahnung. So abenteuerlustig bin ich nicht. Außerdem kann ich es mir nicht leisten, mein Geld zu verlieren. Dafür arbeite ich hart genug. Wegen eines Pferdes würde ich meinen Verdienst niemals verschleudern.“
„Wetten Sie auf mich, und Sie werden gewinnen.“
Strahlend lächelte sie ihn an. „Garantieren Sie mir das, Lord Lansdowne?“
Die Brauern hochgezogen, musterte er ihre rosigen Wangen und grinste übermütig. „Garantieren kann ich gar nichts, aber ich plane zu siegen.“
„Trotzdem verzichte ich auf eine Wette.“
„Nun, das ist Ihr gutes Recht. Doch Sie werden es bereuen.“
„Damit muss ich leben. Wenigstens werde ich mein Geld behalten, also bin ich nicht allzu schlimm dran.“
„Es könnte Ihnen besser gehen.“
„Wie Sie soeben sagten, Euer Gnaden …“ Juliet lächelte sanft. „Eine Garantie wollen Sie mir nicht darauf geben. Oder besinnen Sie sich anders?“
Lachend schaute er in ihr Gesicht. Nach ihrer Ankunft in seinem Haushalt war sie ihm kühl und abweisend oder mit stürmischer Rebellion begegnet. Jetzt forderte sie ihn mit ihrem Humor heraus, mit mutwilligen Blicken, die er verlockend und reizvoll fand.
„Eins zu null für Sie, Miss Lockwood.“
„Aber ich wünsche mir wirklich, dass Sie gewinnen.“
„Das hoffe ich auch. Und unterstehen Sie sich, nachher zu behaupten, ich hätte Sie nicht darauf hingewiesen. Darüber dürfen Sie sich wohl kaum beklagen.“
„Ich beklage mich niemals.“
„Daran zweifle ich, Miss Lockwood. Und ich bewundere Ihren Entschluss, ihr Eigentum festzuhalten, statt es zu verwetten – was schon viele Leute in den Ruin getrieben hat.“
„Wie erfreulich – wenigstens trauen Sie mir eine gewisse Vernunft zu.“
Dominic lachte leise. „Wenn Sie wüssten, wie viel ich Ihnen zutraue, wären Sie überrascht, Miss Lockwood.“
Ehe Juliet oder Lady Pemberton diese geheimnisvolle Bemerkung einschätzen konnten, schwang er sich in den Sattel und ritt zu seinen Freunden.
In nachdenklichem Schweigen saß Cordelia da. Verblüfft hatte sie dem Geplänkel gelauscht und in den Augen ihres Bruders ein Gefühl gesehen, zu dem er jahrelang unfähig gewesen war: besitzergreifender Stolz beim Anblick einer Frau. Zwischen den beiden schien eine starke, vielleicht sogar intime Bindung zu bestehen. Bei dieser Erkenntnis schöpfte
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