Verführer oder Gentleman? (German Edition)
verwirklichen, würde er so energisch vorgehen wie immer, wenn er etwas Begehrenswertes besitzen wollte – etwas, das er aus seinem Leben zu verbannen pflegte, sobald es ihn ermüdete.
Nur mehr eine einzige Schwierigkeit stand ihm im Weg, er brauchte Miss Lockwoods Einverständnis. Gewiss, ein heikles Problem … Aber in seiner unerschütterlichen Selbstsicherheit zweifelte er nicht an seinem Charme, der ihm zum gewünschten Erfolg verhelfen würde.
Nachdem Juliet sich gewaschen und ein schlichtes salbeigrünes Musselinkleid angezogen hatte, eilte sie hinunter und betrat das opulent ausgestattete Speisezimmer. Doch die weißen Marmorsäulen, die teilweise vergoldete Stuckdecke, der lange Esstisch und die mit mitternachtsblauem Samt bezogenen Stühle, die schönen Gemälde und Spiegel in goldenen Rahmen erzeugten keine entspannte, gemütliche Atmosphäre.
Einen doppelten Brandy neben sich, saß Seine Gnaden in einem wuchtigen Ledersessel. Er hatte gebadet und die Kleidung gewechselt. Mit noch feuchtem schwarzem Haar sah er umwerfend attraktiv aus. Als Juliet eintraf, erhob er sich und ging zu ihr. Geräuschlos glitten seine Schuhe über den dicken türkischen Teppich.
Nie zuvor hatte er Miss Lockwood am späteren Abend gesehen, und er freute sich, weil sie auf ihren strengen, wenig schmeichelhaften Knoten verzichtet und ihre braunen Locken im Nacken mit einem schmalen grünen Band umwunden hatte. Schimmernd hingen sie über einer Schulter.
Die Hände vor ihrer Taille gefaltet, hielt sie inne und erwartete ihn. Als er vor ihr stand, schaute sie zu ihm auf. Und im selben Moment vergaß er alles andere. Was für traumhafte Augen, dachte er. Dunkel, erfüllt mit warmem Glanz, von dichten, langen schwarzen Wimpern umgeben … O ja, Juliet Lockwood war wunderschön. Ins Kerzenlicht getaucht, erschien ihm ihr Gesicht, das zarte Strähnchen und vorwitzige Löckchen einrahmten, weicher und sanfter denn je.
„Lord Lansdowne?“
Ihre Stimme erinnerte ihn an den Grund ihrer Ankunft, an seinen Wunsch, das gemeinsame Dinner würde sie einander näherbringen. In wachsender Zuversicht sehnte er das Ende der Mahlzeit herbei. „Ein Drink, Miss Lockwood? Vielleicht ein Glas Wein?“
„Ja, bitte.“
Dominic reichte ihr einen Kelch mit Rotwein. „Natürlich weiß ich, welch unverzeihlichen Regelverstoß ich mir erlaube, indem ich eine junge Frau ohne Anstandsdame an meine Tafel einlade. Dadurch könnten ernsthafte Zweifel an Ihrer moralischen Gesinnung aufkommen.“
„Ganz zu schweigen von Ihrem Urteilsvermögen, Euer Gnaden.“ Juliet unterdrückte ein Lächeln. „Aber da ich Ihre Angestellte bin, zähle ich nicht.“
„Tatsächlich nicht?“
„Kein bisschen.“
Als sie ihren Wein tranken, wurde das Essen serviert. Dominic bestand darauf, dass sie sich am Kopfende des langen Tisches gegenübersaßen, denn er wollte sich leise mit Juliet unterhalten. Würde sie am anderen Ende Platz nehmen, müssten sie einander anschreien. Höflich und rücksichtsvoll sorgte er für ihr Wohl. Doch sie kannte seine Absichten. Hatte er sie bei der Soiree seiner Schwester nicht darauf hingewiesen? Sie betrachtete seine markanten Gesichtszüge. Trotz des mildernden Kerzenlichts wirkte er wie eine Festung – unbesiegbar.
Auch er beobachtete sie während der ganzen ausgezeichneten Mahlzeit. Wann immer sie aufsah, begegnete sie seinem Blick. Darin las sie eine Intensität, die sie sich nicht erklären konnte.
„Warum schauen Sie mich so an?“, fragte sie schließlich und schob den letzten Bissen des köstlichen Desserts in den Mund.
Auf seinem Stuhl zurückgelehnt, ergriff er sein Weinglas. Seine Augen verengten sich und verliehen ihm den Anschein eines gesättigten Wolfs. „Wie denn?“
„Als würde ich ein Geheimnis verbergen, das Sie zu ergründen suchen.“
„Vielleicht … Sie sind mir ein Rätsel, Miss Lockwood. Obwohl Sie schon seit einiger Zeit in meinem Haus wohnen und für mich arbeiten, kenne ich Sie nicht.“
„Seien Sie versichert, Lord Lansdowne, ich bin nicht mysteriös. Ich führe ein völlig uninteressantes Leben, und ich besitze kein eigenes Heim. Was ich tue, wissen Sie – ebenso, wie ich ausgebildet wurde, dass ich bei Sir John beschäftigt war, bevor ich hierherkam … Was wollen Sie sonst noch herausfinden?“
„Ja – was?“, murmelte er. Noch immer erzählte sie ihm nichts über den Mann, den sie in der Stadt getroffen hatte, und es widerstrebte ihm, direkte Fragen zu stellen. „Aus Ihren
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