Verführer oder Gentleman? (German Edition)
wünschte. „Inzwischen habe ich mich an meinen Bruder gewöhnt, Juliet, und ich stimme Ihnen zu, er ist genau so, wie Sie ihn beschreiben. Trotzdem – nach Ihrer plötzlichen Abreise aus Lansdowne House hat er Sie vermisst.“
In Juliet regte sich ein schwacher Hoffnungsschimmer. Aber ihre Miene verriet nur ein geringfügiges Interesse. „Tatsächlich?“
„O ja. Sogar schmerzlicher, als er es zugeben wollte. Mit Ihrer unerwarteten Flucht haben Sie seinen Stolz und sein Herz ernsthaft verletzt.“
Cordelia überlegte, wie Juliet es aufnehmen würde, wenn sie hörte, Dominic hätte vergeblich nach ihr gesucht. Soll ich ihr von seinen schlaflosen Nächten erzählen, den verhärteten Zügen, den dunklen Schatten unter seinen Augen?
„Kennen Sie den Grund meiner Abreise, Lady Pemberton?“
„Irgendwie hing es mit den verschwundenen Miniaturen zusammen. Doch ich weiß, dass noch mehr dahintersteckte. Vielleicht zu heftige Gefühle …“
Zutiefst gedemütigt, senkte Juliet den Kopf. „Bitte, verurteilen Sie mich nicht, Lady Pemberton.“
„Das würde ich niemals tun. Schon vor langer Zeit fand ich heraus, welch eine unwiderstehliche Macht Dominic auf die Frauen ausübt.“
„Wie ein bezwingender Sturm, der aus verschiedenen Richtungen heranweht und einen mitreißt, und man weiß nie, wohin man im nächsten Moment geraten wird …“
Verständnisvoll lächelte Cordelia. „Ja, er ist sehr schwierig – und eigenwillig. Er tut, was ihm beliebt und wann es ihm gefällt. Was andere Leute von ihm halten, kümmert ihn nicht. Ob er abgelehnt oder bewundert wird, ist ihm genauso egal. Nur den Landsitz und seine Arbeit nimmt er wirklich wichtig.“
„Ja, das weiß ich.“ Juliet entsann sich, wie oft sie ihn über seine Hauptbücher gebeugt gesehen hatte. Oder er war mit Geschäftsmännern in sein Büro gegangen. Und vor nicht allzu langer Zeit hatte er den Erntearbeitern auf dem Weizenfeld geholfen.
„Nicht nur für das Landgut setzt er sich ein. Mein Bruder hat einen hervorragenden Geschäftssinn entwickelt. Seit er seine militärische Karriere aufgab, um das Herzogtum zu übernehmen, konnte er sein Vermögen mit klugen Investitionen in Schifffahrtsagenturen, Export-Import-Firmen und andere Handelsgesellschaften vervielfachen. Kurz gesagt, er braucht nur selten zwischenmenschliche Kontakte, und er lässt niemanden an sich heran. Wahrscheinlich stehe ich ihm am nächsten – obwohl ich mir inständig wünsche, es würde mich schon bald jemand ersetzen.“ Beschwörend schaute Cordelia in Juliets Augen. „Er hält sehr viel von Ihnen, meine Liebe.“
„Wohl kaum.“ Juliet schnitt eine Grimasse. „Neulich warf er mir vor, ich sei unmoralisch und hätte meinen Körper aus Gewinnsucht verkauft. So bin ich nicht. Doch das wird er nie verstehen.“
„Unterschätzen Sie ihn nicht. Hinter der kalten, leidenschaftslosen Fassade, die er der Welt zeigt, schlägt ein empfindsames Herz.“
Daran zweifelte Juliet aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Dominic Lansdowne.
„Weil ihn eine einzige Frau schmerzhaft verletzt hat, verdammt er alle anderen“, erklärte Cordelia. „Das geschah vor acht Jahren. Trotzdem will er es nicht vergessen.“
„Davon hat er mir ein wenig erzählt. Sie hieß Amelia, und sie betrog ihn.“
„Ja …“ Cordelia holte tief Atem. „Aber das war nicht alles. Offenbar wollte er Ihnen die ganze Geschichte vorenthalten, sonst hätte er sämtliche Fakten erwähnt. Deshalb werde ich Sie nicht einweihen, denn ich möchte sein Vertrauen keinesfalls missbrauchen. Nur eins sollen Sie bedenken, Juliet: Er braucht dringend eine einfühlsame Frau. Sie müsste die Wunden heilen, die Amelia ihm beigebracht hat, und ihn lehren, Liebe zu erwidern.“
„Hat er Ihnen mitgeteilt, was er mir vorschlug? Seine Geliebte zu werden.“
Seufzend nickte Cordelia. „Ich bin froh, dass Sie dieses infame Angebot abgelehnt haben. Was zwischen euch beiden geschehen ist, verriet er mir nicht. Das war auch gar nicht nötig. Soviel ich weiß, hat er nie zuvor eine tugendhafte Unschuld verführt – und sich niemals einer seiner Angestellten genähert. Was er Ihnen antat, passt einfach nicht zu seinem Charakter, wenn ich auch verstehe, warum er sich so stark zu Ihnen hingezogen fühlte, Juliet. Schon bei unserer ersten Begegnung spürte ich diese Kraft in Ihrem Wesen. Und als ich Sie auf meiner Soiree zusammen mit Dominic sah, dachte ich, Sie wären genau die richtige Ehefrau für ihn. Das finde ich immer
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