Verführer oder Gentleman? (German Edition)
bemerken, drehte sie sich zu ihrer Feindin um und taxierte sie mit schmalen Augen.
Nur wenige Schritte entfernt stand Geraldine zwischen Sir Charles und ihrem Bruder Thomas. Offenbar hatte sie beabsichtigt, dass Juliet Lockwood den impertinenten Kommentar hören würde.
Die Finger um ihren Fächer gekrallt, ging Juliet zu ihr. „Wenn Sie etwas über mich zu sagen haben, Miss Howard, seien Sie bitte so höflich und erörtern es mit mir persönlich.“
Mit einem Knall klappte Geraldine ihren Fächer auseinander und schwenkte ihn heftig vor ihrem Gesicht. „Oh, ich bin maßlos erstaunt. Niemals hätte ich erwartet, Sie bei einem so bedeutsamen gesellschaftlichen Ereignis anzutreffen.“
„Natürlich verstehe ich Ihre Überraschung.“ Irgendwie gelang es Juliet, in kontrolliertem Ton zu sprechen.
„Gerade habe ich Charles erklärt, welch einen Skandal es geben wird, wenn die Leute herausfinden, Sie wären bei Seiner Gnaden, dem Duke of Hawksfield, angestellt gewesen“, verkündete Geraldine boshaft. „Sobald sich das herumspricht, werden Sie von der besseren Gesellschaftsschicht geschnitten.“
„ Falls sich jemand die Mühe macht, Ihnen zu lauschen, während Sie Gift und Galle speien. Gewiss werden Sie den Klatschbasen reichlich Gesprächsstoff liefern und das in vollen Zügen genießen.“ Geraldines Rachsucht empörte Juliet zutiefst. „Wie ich vom Duke of Hawksfield erfuhr, sind die Miniaturen einen Tag nach dem Diebstahl wiederaufgetaucht.“ Vielsagend schaute sie Thomas Howard an, der unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. „Wie erleichtert ich war, kann ich gar nicht in Worte fassen. Dadurch wurde die Unschuld meines Bruders und der Dienstboten bewiesen.“
Geraldine versteifte sich. Unsicher fixierte sie ihren Bruder und dann Charles, um festzustellen, ob er dem Gespräch seine Aufmerksamkeit schenkte. Das tat er. Irritiert und argwöhnisch starrte er sie an. „Nun … dann bin ich ebenfalls erleichtert“, würgte sie hervor.
„Das müssen Sie auch sein“, betonte Juliet, „denn nur zwei Personen hätten die Miniaturen entwenden können. Mein Bruder wurde rehabilitiert – die andere Person nicht. Nämlich Sie, Miss Howard. Meine Anwesenheit im Lansdowne House störte Sie dermaßen, dass Sie mich in die Flucht schlagen wollten, indem sie die Miniaturen verschwinden ließen und die Missetat meinem Bruder in die Schuhe schoben. Und weil Diebstahl zu den Verbrechen gehört, die mit dem Galgen bestraft werden, hätte er kaum genug Zeit und die Gelegenheit gefunden, seine Unschuld zu beweisen.“
Thomas trat vor. Beschämt schaute er Charles an, der nichts von Geraldines Vergehen wusste. „Vielleicht kann ich Ihnen erklären, Lady Juliet …“
Kühl und geringschätzig fiel Juliet ihm ins Wort. „Wie ich annehme, haben Sie herausgefunden, was geschehen ist, Mr Howard. Sie kennen Ihre Schwester und wissen, wozu sie fähig ist. Aber ich denke, es wäre Miss Howards Pflicht, eine Erklärung abzugeben.“ Plötzlich lächelte sie sanft. „Nun, das ist weder der richtige Ort noch der passende Zeitpunkt für solche Geständnisse. Und da sich alles zum Guten gewendet hat, wünsche ich die Sache nicht weiter zu diskutieren.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Unsere Unterhaltung scheint Sie zu verwirren, Sir Charles. Sorgen Sie sich nicht, Mr Howard wird Sie ganz bestimmt über den Zwischenfall informieren. Und jetzt entschuldigen Sie mich, mein nächster Tanzpartner winkt mir zu. Hoffentlich genießen Sie alle den Ball – wenn das möglich ist.“ Nur sekundenlang streifte ihr Blick Geraldines gerötetes Gesicht. „Ich fürchte, es wird den beiden Gentlemen schwerfallen, denn jedes Mal, wenn Miss Howard den Mund öffnet, höre ich eine Klapperschlange rasseln.“
Anmutig ging Juliet davon. Voller Zorn schloss Geraldine ihren Fächer.
Charles starrte sie durchdringend an. Dann wandte er sich zu Thomas. „Wärst du so freundlich, Lady Juliets Rat zu befolgen und mir verdammt noch mal zu erzählen, wovon sie gesprochen hat?“
„O ja.“ Thomas ergriff seinen Arm, führte ihn beiseite und warf seiner Schwester einen vernichtenden Blick zu. „Natürlich ist das nur recht und billig. Gerade du musst wissen, wie tief Geraldine sinkt, wenn sie jemanden hasst.“
Nachdem Dominic den temperamentvollen Meinungsaustausch zwischen den beiden Damen beobachtet hatte, beschloss er, mit Geraldine zu reden, bevor sie ihr Gift in andere Ohren träufeln konnte. Allerdings
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