Verführerische Maskerade
anderen Worten, du hast genug davon, dich einsam und allein mit deinem frischgebackenen Ehemann in die Flitterwochen zurückzuziehen?« Harry ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss auf die Finger.
»Nein, so habe ich das nicht gemeint«, sagte sie, »vielmehr habe ich den Eindruck, dass dich langsam die Unruhe packt. Es ist nicht unbedingt Langeweile, die dich plagt … aber du brauchst deine Arbeit.« Sie setzte sich auf und musterte ihn aufmerksam. »Sag mir, dass ich mich irre.«
Harry schwieg kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nein, du hast Recht. Hin und wieder juckt es mich in den Fingern.«
»Dann sollten wir einschreiten, bevor es dich am ganzen Körper juckt«, beschloss Cornelia und sprang auf. »Ich werde Linton Bescheid sagen, dass wir morgen nach London abreisen. Dann bleibt ihr genügend Zeit, die Kinder darauf vorzubereiten. Obwohl sie natürlich mächtig protestieren wird.« Cornelia ging zur Tür.
»Warte«, rief Harry just in dem Moment, als sie schon die Hand auf den Knauf gelegt hatte. »Nell, ich glaube, dass du dich ebenso sehr danach sehnst, dich wieder in der Gesellschaft zu tummeln wie ich.«
Sie lächelte wehmütig. »Ja, das stimmt wohl. Und ich brenne vor Neugierde, mir mein eigenes Bild von dem Prinzen zu machen, der Liv so hartnäckig auf den Fersen ist. Ellie scheint ihre Bedenken zu hegen, oder? Was meinst du?«
»Vielleicht, ein wenig. Aber ich glaube, sie macht sich viel größere Sorgen, dass Livia so heftig auf den Prinzen reagiert.«
Cornelia ließ den Blick noch einmal über den Brief schweifen. »Kann sein«, murmelte sie, »wenn man zwischen den Zeilen liest, klingt es fast so, als würde Livia den russischen Prinzen attraktiver finden, als es sich gehört. Und genau darüber zerbricht Ellie sich den Kopf. Wie dem auch sei, glaubst du, dass du über deine Kollegen beim Ministerium etwas über ihn in Erfahrung bringen kannst?«
»Ja, ganz sicher«, versprach Harry. »Unter gegebenen Umständen ist kein russischer Emigrant in der Lage, der Überwachung des Ministeriums zu entkommen. Nicht nach dem Frieden von Tilsit … vorher im Grunde genommen auch nicht«, schloss er. »Ich werde Eric beauftragen, Hector zu warnen, dass wir übermorgen wieder in der Mount Street eintreffen.«
Er stand auf und reckte sich. »Mit den Kindern in der Kutsche werden wir mehr Pausen einlegen müssen. Außerdem müssen wir im Gasthaus übernachten.«
Cornelia verzog das Gesicht. Harry hatte am eigenen Leib erfahren müssen, wie oft die Kutsche die Fahrt unterbrechen musste, wenn ein Kind an Bord war, das unter Übelkeit litt. »Susannah wird sich beherrschen können, wenn wir alle zwei Stunden eine Pause einlegen«, meinte sie, schien sich aber eher selbst beschwichtigen zu wollen.
Harry nickte. »Genau das hatte ich auch überlegt. Aber trotzdem möchte ich gern reiten. Ich kann sie zu mir aufs Pferd nehmen, wenn die Kutsche zu sehr schaukelt.«
»Guter Vorschlag. So mache ich es auch. Dann können wir die Reise vielleicht ohne viel Theater hinter uns bringen.«
»Vergiss nicht, dem Earl einen kurzen Abschiedsbrief zu schreiben«, mahnte Harry, als sie die Salontür schon geöffnet hatte.
»Mit dem größten Vergnügen«, bekräftigte Cornelia. »Ich werde den Brief noch heute Abend nach Markby Hall schicken.« Markby Hall war der Sitz des Grafen Markby, der der Vater ihres verstorbenen ersten Ehemannes war, und das Anwesen lag kaum zwei Meilen von Dagenham Manor entfernt. Cornelia hegte keine besondere Sympathie für ihren ehemaligen Schwiegervater; vor ihrer Ehe mit Viscount Bonham hatte der Mann alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihr Leben zu kontrollieren. Das galt auch für das Leben ihres Sohnes Stevie, der der Enkel und Erbe des Earls war. Zuerst hatte der Earl auf ihre Ehe mit Harry mit einem Zornesausbruch reagiert. Aber im Laufe der Zeit war es Harry gelungen, ihn mit den veränderten Umständen zu versöhnen.
Cornelia vermutete, dass Harry dem alten Grafen versprochen hatte, keinerlei Entscheidungen über die Zukunft seines Großsohnes ohne sein Wissen zu treffen, vielleicht noch nicht einmal ohne seine ausdrückliche Zustimmung. Es war ein großzügiges Angebot, so großzügig, dass Cornelia es aus eigenem Antrieb sicher nicht gemacht hätte. Aber unter gegebenen Umständen sah sie ein, dass es besser war, keine schlafenden Hunde zu wecken. Nein, sie wollte keine Fragen stellen, wie Harry das Wunder der Versöhnung herbeigeführt hatte. Sollte die Zeit gekommen sein,
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