Verführerische Maskerade
Vorbeugung sollten wir besser mit Tante Nell nach Hause gehen. Dann kannst du mit Stevie und Susannah im Kinderzimmer Tee trinken.«
Livia schwieg, und Alex verbeugte sich zum Abschied, als die Frauen und Kinder sich wegdrehten und in die entgegenliegende Richtung forteilten.
»Ihre Freundinnen sind ausgesprochen verschwiegen«, bemerkte er. Als er sie anschaute, war das Lächeln auf seinen Lippen verschwunden, und er blickte sie so ernst an, als versuchte er, ihre Gedanken zu lesen. »Ich darf annehmen, dass Sie sie ins Vertrauen gezogen haben.«
»Ja«, bestätigte Livia schlicht.
Dann wissen die beiden also Bescheid, wie sie sich entschieden hat, dachte er unwillkürlich, neigte verständnisvoll den Kopf und bot ihr den Arm. »Darf ich Sie nach Hause begleiten?«
»Danke.« Livia nahm seinen Arm. Ein Schauder rann ihr über den Rücken, und ihr war klar, dass er es gespürt hatte. Alex kniff die blauen Augen kaum merklich zusammen und musterte sie eindringlich. Es war, als würden tief in seinem Blick die Funken sprühen, sodass er ihr ein unwillkürliches Lächeln auf die Lippen zauberte. Livia war beruhigt und erregt zugleich. Wie aus dichtem Nebel war es über sie gekommen … ihre Haut prickelte elektrisiert, und ihr Blut war in Wallung geraten.
Diesmal wurde sofort geöffnet, als Livia an die Tür klopfte. Der junge Jemmy grüßte respektvoll. »Mr. Morecombe ist bei den Küken, M’lady.«
»Küken?« Livia schaute ihn erstaunt an. »Bei welchen Küken?«
»Bei denen, die Mavis gekauft hat«, erklärte der Bursche. »Sie meint, dass sie später gut legen werden. Aber sie sind noch so klein, dass wir sie in einem Hut am Ofen in der Küche päppeln müssen. Sonst erkälten sie sich und werden uns wegsterben.«
»Wessen Hut?«, hörte Livia sich fragen und war sich im selben Moment darüber klar, wie sprunghaft die Worte ihrem Begleiter vorkommen mussten. Aber irgendwie schien die Frage ganz natürlich, wenn sie daran dachte, wie ungewöhnlich ihr Haushalt geführt wurde.
»Aus Pelz, Ma’am«, erklärte Jemmy, »ein alter Hut von unserer Ada. Und unsere Mavis hat gesagt, dass Sie einen Muff haben, wenn der Hut nicht groß genug ist.«
»Das stimmt«, bestätigte Livia, »sag ihr, sie soll Hester schicken, falls sie ihn braucht. Hester weiß, wo er liegt.« Sie schaute Alex an und bemerkte, dass er ihren Blick ebenso irritiert wie amüsiert erwiderte. Es knisterte immer noch zwischen ihnen, allerdings nicht mehr wie eine einfache elektrische Ladung, sondern wie ein prachtvolles Feuerwerk.
»Soll ich Ihnen was bringen, M’lady?«, fragte Jemmy, während Livia sich in Richtung Salon bewegte.
Livia blieb stehen. »Was möchten Sie, Alex? Tee, Sherry, Wein …«
»Im Moment nichts, danke«, lehnte Alex entschlossen ab, ergriff Livias Hand und schob sie vor sich her. »Wir haben dringende Angelegenheiten zu klären. Ich wünsche keinerlei Störungen.« Winkend schickte er Jemmy fort. »Wir werden läuten, wenn wir etwas brauchen.«
Livia nickte und war erleichtert, dass er die Befehle gegeben hatte, obwohl er sich in ihrem eigenen Haus aufhielt. Sie genoss den zarten Druck an ihrer Hüfte, als er sie auf dem Weg in den Salon nach vorn drängte.
Alex ließ den Blick durch das gemütliche Zimmer schweifen. »Hier bin ich noch nicht gewesen.«
»Stimmt. Es ist unser privater Salon. Hier empfangen wir keinen Besuch«, erklärte Livia und zuckte bedauernd die Schultern.
»Dann ist es mir eine Ehre.« Er zog sich die Handschuhe aus, steckte sie in den Hut und legte beides zusammen mit dem Spazierstock auf dem Stuhl an der Tür ab.
Livia zupfte an ihren Handschuhen und machte keinerlei Anstalten, sich den Hut abzunehmen. Sie war sich bewusst, wie gut sie darin aussah. Das cremefarbene Stroh umrahmte ihr Gesicht und bändigte die dunklen Locken, die darunter prangten. Die dunkelgrünen Seidenbänder, die unter ihrem Kinn zusammengebunden waren, verliehen ihr ein gefälliges Aussehen. Das hatte Aurelia jedenfalls behauptet.
Sie war sich nicht ganz schlüssig, ob Prinz Prokov ein »gefälliges Aussehen« zu schätzen wissen würde, aber gemessen an seinem Blick schien es ihn im Moment jedenfalls nicht zu stören.
Ihre Knie drohten zu versagen, so aufgeregt war sie. Muskeln und Sehnen waren weich wie Pudding und lieferten eine erbärmliche Vorstellung ab. »Bitte setzen Sie sich doch.« Einladend zeigte sie auf das Sofa und ließ sich auf einen Stuhl fallen, bevor ihre Knie doch noch den Dienst
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