Verfuehrerische Naehe
an. „Julia arbeitet ausgezeichnet. Falls Sie sich davon überzeugen möchten, kommen Sie doch bei Gelegenheit zu mir und sehen Sie sich meinen Garten an.”
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, fuhr sie los und fragte sich, wieso es sich vorhin so angehört hatte, als wäre sie scharf darauf, ihn zu sich einzuladen. Dabei sollte sie eigentlich verärgert und nicht erregt sein.
Die Bemerkung über Anwälte auf dem Land war äußerst unpassend gewesen. Außerdem hatte er ihre Fragen nicht sonderlich klar beantwortet. Ein Mann mit einem scharfen Verstand wie er gab sich bestimmt nicht lange mit Nichtstun zufrieden. Was kam dann? Godfrey würde ihn bestimmt mit Angeboten überhäufen, die sogar einen Heiligen in Versuchung führen mussten. Und bisher hatte noch niemand Cameron Quade nachgesagt, ein Heiliger zu sein.
Trotz allem und obwohl sie Julias Geschäftskarte nicht losgeworden war und wieder vergessen hatte, ihre CD aus seinem Gerät zu holen, schaltete sie das Autoradio ein und summte mit. Auf den Text des Songs achtete sie dabei nicht. Dafür war sie zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
Sie hatte das letzte Wort gehabt.
Sie hatte ihn zum Lachen gebracht.
Und er hatte keine Verlobte.
Quade sah Chantal nach und merkte erst nach einer Weile, dass er lächelte, weil sie unbedingt das letzte Wort hatte haben wollen. Sie war eine Kämpfernatur, diese Miss Chantal Goodwin. In dem Punkt hatte sie nicht geändert.
Er hörte zu lächeln auf, und hätte er auch die Erregung, die ihn gepackt hatte, genauso leicht abstellen können, wäre er glücklich gewesen. Nein, nur zufrieden. Glücklich war er schon seit Jahren nicht mehr.
Während des gnadenlosen Kampfes beim Erklimmen der Karriereleiter hatte er gar nicht gemerkt, dass er nicht mehr darauf achtete, was wirklich wichtig war. Ihm war nicht aufgefallen, wie wenig Freude er hatte und dass er ethische Grundsätze immer mehr aus den Augen verlor. Der Ausdruck „glücklich” hatte in dieser Welt nichts zu suchen.
Erst ein aufwühlendes Ereignis hatte ihm die Augen geöffnet und ihn dazu gebracht, nach Merindee zurückzukehren. Wahres Glück, über das man nicht lange nachdachte, sondern das so selbstverständlich war wie Atmen, war für ihn mit diesem Haus verbunden. Das war, bevor seine Mutter an Krebs starb und sein Vater die Freude am Leben verlor.
Zwanzig Jahre war das schon her. Quade ließ den Blick schweifen. Er hatte keine Ahnung, wie er sein Leben in Ordnung bringen konnte. Fest stand nur, dass dies hier der richtige Ort dafür war. Vorhin hatte er die Wahrheit über seine Pläne gesagt. Er wollte Stunde für Stunde und Tag für Tag nur machen, was ihm gerade gefiel. Er wollte in Jeans und mit offenem Hemd herumlaufen und so viel Wein trinken, wie er aus dem Keller seines Vaters hochschaffen konnte. Und vielleicht würde er von jetzt an nachts sogar mehr als vier Stunden schlafen.
In der Ferne entdeckte er auf der Straße nach Cliffton ein silbriges Funkeln. Das war Chantal Goodwin, unterwegs zum Golfspiel, und er war sicher, dass es nicht um einen fröhlichen Zeitvertreib am Wochenende mit ihren Freundinnen ging.
Oh nein, die aufstrebende junge Anwältin hatte bestimmt einen guten Grund, um den Golfplatz aufzusuchen, genau wie sie einen guten Grund gehabt hatte, sein Haus herzurichten und ihm diesen Besuch heute Morgen abzustatten. Es war ihr nicht um die Auftragsbeschaffung für ihre Schwester, die Gartenarchitektin, gegangen, sondern sie hatte sich Sorgen um ihre Karriere gemacht. Sie hatte herausfinden wollen, ob er sie bei Godfrey ausbooten wollte.
Quade lachte spöttisch. Bestimmt würde Godfrey ihm bald Angebote machen. Damit rechnete er fest. Doch er hatte keine Bedenken, seinen Onkel und Wohltäter abzuweisen.
Vielleicht würde er irgendwann wieder Lust haben, in Anzug und Krawatte zur Arbeit zu gehen, aber dann sicher nicht mehr als Jurist. Er war fest entschlossen, sich von allem fernzuhalten, was mit seinem früheren Beruf zu tun hatte.
Das galt ganz besonders für Frauen.
3. KAPITEL
Da war Chantal schon wieder. Sie tauchte auf und verschwand wie ein Eichhörnchen, das Wintervorräte sammelte. Was sollte das?
Quade wollte sich den Schweiß von der Stirn wischen, blieb jedoch mit dem Ärmel an einem Brombeerzweig hängen. Frustriert riss er sich los und richtete sich auf. Nachdem er drei Stunden lang gehackt, geschnitten und geflucht hatte, wollte er nichts mehr von dem Dschungel, der sich sein Garten nannte,
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