Verführerische Unschuld
…“
„Warum meine Schwägerin wegen eines Smaragdcolliers so außer Fassung gerät? Anscheinend findet meine Familie, dass man mit der Vergangenheit am besten fertig wird, indem man sie ignoriert. Es ist einfach, so zu tun, als gäbe es mich nicht, wenn ich weit weg in Portugal bin, doch hier, wo sie mich ständig vor sich haben, geht das schlecht, weil ich die lebendige Erinnerung an das bin, was zwischen uns geschah. Jetzt gerade hat das Miranda so durcheinandergebracht, dass sie uns sogar allein lässt. Ein schwerer Fehler, den ich nun beheben werde.“ Er stand auf und wollte gehen.
„Warten Sie. Sie können mich nicht hier sitzen lassen, ohne mir alles zu erzählen.“ Sie fasste ihn am Ärmel und zog ihn daran auf seinen Platz nieder. „Was hat es mit diesem kostbaren Collier auf sich?“
„Dieses Smaragdgeschmeide ist ein Erbstück, seit Generationen in der Familie. Eigentlich sollte es Mirandas Hals schmücken, so wie es meine Mutter und meine Großmutter schmückte. Meine Schwägerin hat sich vor Jahren damit sozusagen von mir freigekauft.“ Er verzog das Gesicht. „Mit einem Taschenmesser löste ich die Steine nach und nach aus der Fassung und verkaufte sie wie billigen Tand, verschleuderte das Geld für Alkohol und Frauen. Kurz bevor ich endgültig mit leeren Taschen dastand, kam ich zur Vernunft und erwarb von den letzten Juwelen mein Offizierspatent.“
Er hob das Collier aus der Schachtel, und Esme nahm es ihm aus der Hand. Fragend tippte sie auf die leere Fassung im Zentrum der Kette.
„Am Tag, bevor ich in den Krieg zog, sandte ich Miranda den einen übrig gebliebenen Stein als Weihnachtsgeschenk. Er gehört an diese Stelle. Die leere Kette behielt ich mit dem festen Vorsatz, sie Miranda einmal vollständig wieder zurückzugeben.“ Stirnrunzelnd schaute er auf das Schmuckstück nieder. „Ich habe jeden Penny meines Soldes gespart, um das Collier wiederherstellen zu lassen. Es ist mein einziger Besitz. Ich hoffte, wenn ich es ihr zurückgebe, wären wir quitt. Ich möchte lieber völlig mittellos neu beginnen, als auf ewig mit dieser Schuld leben. Aber anscheinend genügt es ihr nicht, genauso wenig wie meinem Bruder meine Entschuldigung genügt.“
Esme legte den Schmuck zurück in das Kästchen. „Aber was taten Sie Abscheuliches, dass Ihr Bruder Ihnen nicht vergeben kann?“
„Ich verführte seine Frau.“
Esme blieb der Mund offen stehen.
Radwell hob mahnend einen Finger. „Genau genommen sogar Frauen.“ Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, eigentlich doch nur die Einzahl. Seine erste Frau. Bei Miranda versuchte ich es, aber ohne Erfolg.“ Etwas wie Wehmut spiegelte sich in seiner Miene. „Als er sie damals hierher brachte, war sie entzückend, aber noch nicht die große Schönheit, die sie heute ist. Und mein Bruder, der Narr, ließ sie allein. Ich hasste ihn damals und dachte, es geschähe ihm nur recht, wenn er sie verlöre.“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn es schon sonst zu nichts gut war, hat es ihn hoffentlich gelehrt, seine Gattin zu schätzen.“
„Lehrten Sie ihn denn, seine erste Gattin zu schätzen?“ Esmes Tonfall war schärfer, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte.
„Nein. Sie habe ich geliebt.“ Als sie die Trauer in seinem Blick sah, tat es ihr leid, dass sie so tadelnd gesprochen hatte. Abwesend schaute er durch sie hindurch. „Aber Marcus liebte sie auch. Bethany allerdings liebte nur sich selbst. Sie spielte uns gegeneinander aus. Dann starb sie. Wir waren alle jung und töricht – ich ganz besonders – und ich war verrückt nach ihr, weil ich wusste, dass ich sie nie besitzen würde. Ich bin erst nach Jahren darüber hinweggekommen. Da war ich dann schon bei der Armee; ich schwor, wenn ich je nach England zurückkehrte, würde ich alles wiedergutmachen.“
Esme lächelte ihn ermutigend an. „Als ich Sie sah, wusste ich, dass Sie nicht so schlecht sein konnten, wie mein Vater behauptete.“
Niedergeschlagen erwiderte er ihr Lächeln. „Oh, nein, mein Schatz, ich bin noch viel schlechter. Nur weil ich meinem Bruder nicht mehr die Frau fortnehmen will, heißt das nicht, dass nun alle Ehemänner vor mir sicher wären. Ich bin lediglich wählerischer geworden.“
„Dann sollten Sie vielleicht eine Frau suchen, die noch nicht gebunden ist.“
„Damit sie sich an mich bindet? Nein, danke.“ Er verzog zynisch den Mund. „Oder versuchen Sie schon wieder, sich durch mich zugrunde zu richten? Sie wollen es einfach nicht verstehen!“ Er
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