Verführerische Unschuld
Moment kam eine Schwester herein. “Ich muss Sie jetzt bitten, zu gehen”, sagte sie streng.
Paddy hatte bereits die Augen geschlossen.
“Das Wichtigste ist jetzt, dass er sich ausruht”, sagte die Schwester und führte Caitlyn vor die Tür, wo Grant nervös auf sie wartete.
Obwohl er einige Minuten Zeit gehabt hatte, sich zu fassen, wirkte er immer noch wie betäubt. Sie sahen sich misstrauisch an.
Caitlyn war schließlich diejenige, die die Stille brach. “Hat er dir gesagt, was er will?”
“Er will uns verheiratet sehen, bevor er stirbt.”
“Gibt es die Hoffnung, dass er im Delirium sprach und sich später nicht mehr daran erinnert?”, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf.
Trotz ihrer eigenen Verwirrung fühlte Caitlyn sich durch Grants Mangel an Begeisterung in ihrem Stolz getroffen. “Keine Sorge”, fuhr sie ihn an. “Ich würde nicht im Traum daran denken, dich zu bitten, es wirklich zu tun.”
“Selbst wenn wir deinem Vater dadurch das Leben retten?”, erwiderte Grant. Ihm gefiel nicht besonders, dass Caitlyn den Gedanken einer Heirat mit ihm offenbar abstoßend fand.
Ein Schlag ins Gesicht hätte Caitlyn weniger schockiert als seine Worte. “Du kannst nicht wirklich vorhaben, so eine Farce durchzuziehen!”
Grants Augen blieben ausdruckslos. “Ich würde mein Leben für diesen Mann geben”, entgegnete er heftig. “Wenn das kleine Wörtchen ‘Ja’ reicht, um ihn glücklich zu machen, werde ich ihm diesen Gefallen nicht verweigern.”
“Aber das Ganze wäre eine Lüge”, stieß sie hervor. Doch noch während sie protestierte, sehnte sie sich nach der Möglichkeit, ihrem Vater einen Grund zum Leben zu geben. Sie betrachtete Grant nachdenklich. “Du würdest es tatsächlich für ihn tun?”
Er hielt ihrem Blick stand. “Ich habe selbst erfahren, welche Macht die Liebe über das Herz besitzt.”
Caitlyn zuckte zusammen, als sie an den Selbstmord seiner Mutter erinnert wurde. Offenbar wollte Grant verhindern, dass die Sorge um seine Tochter Paddy zusätzlich belastete.
“Und muss ich dich erst daran erinnern, dass wir der Grund für den Herzinfarkt deines Vaters sind?”, fügte Grant hinzu.
“Nein, das brauchst du nicht”, gab Caitlyn zurück.
Er stand starr wie eine Statue vor ihr. “Ich habe ihm mein Wort gegeben.”
Seufzend rieb Caitlyn sich die Schläfen. Ihr Kopf schmerzte, ihre Knie fühlten sich ganz weich an, und ihr war schwindelig. Das Einzige, was sie noch aufrecht hielt, war die Sorge um ihren Vater. Sie hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, ihm zu beweisen, dass sie seinen Respekt verdiente. So viele Jahre hatte sie ohne ihn leben müssen, und jetzt wünschte sie sich nur, ihn glücklich zu machen.
“Ich nehme an, es müsste nicht unbedingt echt sein”, überlegte sie laut. “Solange wir die Ehe nicht vollziehen, kann sie später immer noch annulliert werden. Wir können behaupten, dass wir uns durch die Umstände gezwungen sahen oder dass unsere Charaktere unvereinbar sind.”
Grant zuckte unter ihren Worten zusammen. “Unsere Gefühle sind im Moment nicht so wichtig, sondern nur die Wünsche deines Vaters. Wenn du Angst hast, ich könnte mich dir aufdrängen, ist das nicht nötig. Ich verspreche dir, dich nicht mit meinen schmutzigen Arbeiterhänden anzurühren.”
Bevor Caitlyn etwas erwidern konnte, kam ein Mann auf Paddys Tür zu, einen winzigen Zettel in der Hand haltend. Er war in Schwarz gekleidet und trug den weißen Kragen eines Priesters.
“Wissen Sie zufällig, ob dies hier Paddy Flynns Zimmer ist?”, fragte er Caitlyn.
Sie streckte zitternd die Hand aus und stellte sich vor. “Mein Vater erwartet Sie.”
“Ich freue mich so, Sie endlich kennenzulernen, Caitlyn. Ich bin Vater O’Riley, ein alter Freund von Paddy”, erklärte der Priester und fuhr besorgt fort: “Man sagte mir, es sei ernst.”
Grant schob Caitlyn behutsam beiseite, damit der Priester Zugang zu Paddys Zimmer bekam. “Ich möchte Sie bitten, wenn irgend möglich anschließend nicht sofort wieder zu gehen. Wir müssen mit Ihnen reden, aber im Augenblick haben wir etwas Wichtiges zu erledigen. Ich verspreche Ihnen, wir sind so schnell wie möglich wieder zurück.”
“Das ist schon in Ordnung”, versicherte ihm der Priester mit geduldigem Lächeln. “Ich sehe zunächst einmal nach Paddy und später nach meinen anderen Schäfchen. Ich treffe Sie wieder hier in ein, zwei Stunden.”
Grant schüttelte ihm die Hand. “Vielen Dank.”
Vater O’Riley nickte,
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