Verführerischer Dämon: Roman (German Edition)
abklingen würde. Denn sonst saß er wirklich und wahrhaftig in der Patsche.
6 n
Alexandrine hielt das Handtuch fest an ihren Körper gepresst. Xias Schweigen verunsicherte sie, und sie fühlte sich unbehaglich, wenn sie daran dachte, weshalb er in der Küche blieb. Andererseits wollte sie gar nicht erst darüber nachdenken, was genau damit gemeint sein könnte, eine Leiche » wegzuschaffen«. Je schneller sie also den Raum verließ, desto besser.
Während sie von der Küche ins Wohnzimmer ging, prickelte ihr Rücken: Kleine eisige Finger wanderten ihr Rückgrat hinauf und hinunter. Ihr restlicher Körper jedoch schien wie taub.
Genau wie die anderen Räume ihrer Wohnung lag auch ihr Schlafzimmer im Dunkeln, doch es war nicht länger diese unnatürliche Finsternis. Die Anzeigen der elektronischen Geräte blinkten wieder. Durchs Fenster fiel das Licht der Straßenlampen herein. Ein schneller Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es drei Uhr dreizehn war.
Alexandrine ließ das Handtuch fallen und ging zu ihrer Kommode, um einen BH und eine frische Bluse herauszusuchen.
O Gott! Sie hatte Xia volle Sicht geboten! Alles, wirklich alles war zu sehen gewesen. Wie ein Dummkopf hatte sie dagestanden und ihm das Handtuch hingehalten und ihm alle Zeit der Welt gelassen, um sich sattzusehen.
Nun ja, um fair zu sein, weder hatte er sich wie ein Blödmann benommen noch die Situation ausgenutzt. Aber geschaut hatte er, definitiv.
Nachdem sie die Bluse angezogen hatte, setzte sie sich auf ihr Bett und beugte sich vor, den Kopf zwischen den Händen. Sie war angegriffen und fast getötet worden. Alexandrine zitterte, aber immer noch fühlte sie sich wie betäubt. Doch das würde nicht anhalten. Der Zusammenbruch würde kommen. Die Frage war nicht ob, sondern wann.
» Hey.«
Alexandrine schreckte zusammen, denn sie hatte Xia nicht kommen hören. Verdammt, es war unheimlich, wie lautlos er sich bewegen konnte. Wie ein dunkler Schatten ragte er in der Tür auf, und vielleicht war er das ja auch, ein Schatten oder was auch immer, denn dass er kein menschliches Wesen war, das hatte sie inzwischen begriffen.
» Ich bin fertig«, sagte Xia.
Sie beobachtete, wie er sich mit einer Hand am Türpfosten abstützte. Und ja, er war immer noch nackt, und immer noch machte es ihm nichts aus. Sie konnte in der Dunkelheit nicht allzu viel erkennen, aber es reichte.
Nach einem Moment fügte er hinzu: » Für den Rest könnte ich deine Hilfe gebrauchen, wenn es dir nichts ausmacht.«
Vermutlich brachte es ihn um, so höflich zu sein.
Alexandrine schüttelte den Kopf. » Alles, was ich mir wünsche, ist ein nettes, ruhiges Leben, in dem meine größte Herausforderung darin besteht, meine Magie auszuüben, die allerdings fast nie funktioniert. Mehr nicht. Ehrlich.«
» So viel zu dem, was man sich wünscht und was man bekommt…«
Er blickte sie an, ganz neutral. Als ob er sich gar nicht daran erinnern würde, dass er sie vorhin noch halb nackt gesehen hatte. Alexandrine wusste es zu schätzen.
» Sie werden wiederkommen, nicht wahr?«, sagte sie.
» Ja, irgendwann zwischen jetzt und der Morgendämmerung, denke ich.«
Sie schob sich vom Bett hoch. » Aber Rasmus Kessler weiß doch gar nicht, wer ich bin. Er weiß nicht das Geringste über mich. Ich bezweifle, dass er sich überhaupt daran erinnert, mich weggegeben zu haben.«
» Erstens, er weiß das alles sehr genau. Und zweitens, was ändert das schon? Er will den Talisman, deshalb hat er sich auf die Jagd begeben. Ihm ist völlig egal, wen er jagt, Alexandrine Marit oder Mutter Teresa.«
» Mutter Teresa ist tot.« O Gott, sie spürte, wie knapp sie vor dem Zusammenbruch stand. Sehr knapp. In ihr war nichts als eine gewaltige Leere. Sie wusste, dass sie ganz dringend etwas brauchte, einen Rettungsring, an den sie sich klammern konnte, damit sie nicht einfach davongeschwemmt wurde. Aber was?
Das Gefühl, dass sich um sie herum eine gewaltige Katastrophe zusammenbraute, wollte einfach nicht verschwinden. Was auch immer sie tat oder was passierte, ihr Leben war bereits den Bach runtergegangen. Sie war wie eine Seiltänzerin, die ohne Netz über einem Abgrund balancierte.
» Okay, dann interessiert es meinen Dad, den berüchtigten Rasmus Kessler, den du mehr hasst als sonst etwas auf der Welt und sogar noch mehr als mich, also einen Dreck, ob ich draufgehe, solange er nur das Amulett bekommt.«
» Talisman.«
» Na gut, dann eben Talisman.« Sie ließ sich aufs Bett zurücksinken und
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