Verfuehrt
ihm genug auf der Seele, dass er noch etwas dazu sagen muss. »Er wirkte nur sehr vertraut mit dir, und ich könnte schon verstehen, wenn du ihn charmant findest. Aber diese ganze Situation ist wirklich schon verfahren genug für uns alle. Deshalb hoffe ich, dass du vernünftig bist.«
Ich schlucke mühsam. »Du kennst mich doch, Dad«, versichere ich ihm, um ihn zu beruhigen. Doch als ich es ausspreche, wird mir klar, dass das vielleicht gar nicht mehr stimmt. Ich bin nicht mehr die Sophie, die vor ein paar Wochen nach Rom gefahren ist. Was dort passiert ist, hat mich verändert, und eigentlich weiß ich nicht mal, ob ich mich selbst noch kenne.
Meinem Vater scheint diese Aussage jedoch zu genügen, denn er lässt das Thema fallen.
»Musst du noch bleiben?«, fragt er. »Ich bin gerade ganz in der Nähe von Hampstead, ich könnte dich auch abholen, wenn du möchtest. Vielleicht ist es besser, wenn wir Signore Bertani das allein regeln lassen.«
Ich stutze über sein Angebot. Aber er hat recht, denke ich dann – es gibt keinen zwingenden Grund mehr für meine Anwesenheit. Was mich ein bisschen erschreckt. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass ich die ganze Zeit bei Matteo sein würde. Aber nachdem ich ihn jetzt mit Lord Ashbury zusammengebracht habe, ist mein Part im Grunde erledigt. Matteo ist mit dem Auto da, und er kann sich melden, wenn es etwas Neues gibt.
Also geh, Sophie, fordere ich mich selbst auf. Geh und mach es dir nicht unnötig schwer.
Als ich gerade antworten will, hallen Schritte durch den großen Raum vor mir, und dann sehe ich, wie Rebecca Ashbury die Eingangshalle durchquert. Sie bemerkt mich nicht, läuft in ihrem Reitdress und mit fliegenden blonden Haaren zielstrebig über die Treppe nach oben in den ersten Stock. Wahrscheinlich will sie sich nach ihrem Ausritt frisch machen – für einen neuen Versuch, Matteo dazu zu bewegen, doch zum Dinner zu bleiben.
Ich schlucke schwer. »Das ist lieb von dir, Dad. Aber … ich fände es sehr unhöflich, wenn ich jetzt einfach fahre. Immerhin tut Matteo uns einen großen Gefallen – das sollten wir nicht aufs Spiel setzen.«
»Natürlich«, erwidert mein Vater, und ich kann seiner Stimme nicht anhören, wie er das findet. Ich ahne es nur. »Dann bis später.«
»Ja«, sage ich und schließe die Augen, weil ich ihm – und mir – das Leben wirklich nicht schwer machen möchte. Aber ich kann nicht anders, ich muss noch bleiben. »Bis später.«
***
»So, da wären wir.« Matteo fährt den Alfa mit elegantem Schwung an den Straßenrand und hält direkt vor unserem Haus. Dann steigt er aus und geht um das Auto herum, hält mir galant die Tür auf.
»Danke fürs Bringen«, sage ich, als wir voreinander auf dem Bürgersteig stehen, und er nickt knapp, was wohl heißen soll, dass er das ziemlich selbstverständlich findet.
Womit endgültig der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ich mich von ihm verabschieden und ins Haus gehen muss. Oder gehen sollte, denn ich zögere.
Matteo hat noch gut eine Stunde gebraucht, um die Papiere zu sichten und sich das Bild genauer anzusehen, und dann haben er und Lord Ashbury über das weitere Vorgehen gesprochen – in Anwesenheit von mir und Rebecca Ashbury, die es sich nach ihrer Rückkehr von ihrem Ausritt – natürlich – nicht hat nehmen lassen, ihrem Gast mit vollem Körpereinsatz zu verdeutlichen, dass er in Ashbury Hall sehr willkommen ist. Es wundert mich wirklich, dass ihr Mann dazu nichts gesagt hat, aber Lord Ashbury war tatsächlich nur an dem Gemälde interessiert und nicht an ihr. Vielleicht zeigt er sie nur einfach gerne vor, weil sie so jung und attraktiv ist, oder die beiden haben eine Art Übereinkunft, dass jeder sein eigenes Leben lebt – auf jeden Fall scheint es ihm egal zu sein, dass sie mit seinem Gast flirtet, was das Zeug hält. Mich dagegen hat es massiv gestört, und ich musste mir heimlich eingestehen, wie erleichtert ich darüber war, dass Matteo ihre Dinner-Einladung erneut abgelehnt hat. Wobei mich die Begründung, dass er noch verabredet ist, nach wie vor irritiert.
»Mit wem triffst du dich eigentlich gleich noch?« Die Frage drängt aus mir heraus, obwohl ich sie ihm eigentlich nicht stellen wollte. Aber ich muss es einfach wissen.
»Mit jemandem von der Londoner University of Arts, den ich gut kenne«, klärt Matteo mich auf. »Vielleicht finde ich durch das Gespräch weitere Ansatzmöglichkeiten für die Recherche.«
Also beruflich, denke ich, ein bisschen erleichtert –
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