Verführt im Harem des Scheichs
Attraktivität als belastend empfunden. Aber daran wollte sie jetzt auf keinen Fall denken.
Machte Ramiz sich über sie lustig? Durch den Schleier hindurch versuchte sie, seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Aber er hatte den Kopf halb abgewandt, und zudem verbarg die Ghutra einen Teil seines Gesichts.
Eine Zeit lang schwieg Celia. Schließlich meinte sie: „Ich habe genug echte Probleme, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Deshalb werde ich mich nicht in wilden Vermutungen über Situationen verlieren, die nie eintreten werden. Lassen Sie uns also das Thema wechseln. Vielleicht erzählen Sie mir etwas über Ihr Land. Es gibt fast keine Literatur über A’Qadiz. Tatsächlich scheint kaum jemand mehr zu kennen als den Namen und die Lage Ihres kleinen Reichs.“
Inzwischen hatten sie viele Stunden im Sattel verbracht. Selbst während der Mittagshitze hatten sie nur eine kurze Pause eingelegt. Ramiz wusste, wie anstrengend das alles für seine Begleiterin sein musste. Doch ihm blieb keine Wahl. Er musste so schnell wie möglich nach Hause. Aber Celias Wunsch, sich den Weg mit Geschichten verkürzen zu lassen, war durchaus berechtigt.
Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. Es gefiel ihm, dass sie bisher kein Wort der Klage geäußert hatte, sondern mit einer Ausdauer ritt, die man einfach bewundern musste. Auch trank sie nur, wenn er ihr etwas aus dem Wasserschlauch anbot. Trotzdem wirkte sie kühl und gefasst, so als schlendere sie durch einen gepflegten englischen Garten und durchquere nicht gerade eine äußerst unwirtliche Gegend.
In seine Bewunderung mischte sich Mitleid. Wahrscheinlich hatte sie ihren Gatten nicht geliebt. Aber er war immerhin ein ihr vertrauter Mensch gewesen, und sie hatte ihn auf denkbar brutale Art verloren. Nichts war so gekommen, wie sie es sich erhofft hatte. Ihr ganzes Leben war mit einem Schlag auf den Kopf gestellt worden. Und doch hatte sie weder den Mut noch die Haltung verloren.
Er begann, ihr von Balyrma, der Hauptstadt seines Reichs, zu erzählen. Und da er sein Land und dessen Traditionen liebte, sprach er mit solcher Leidenschaft, dass Celia bald schon alles um sich her vergaß. Während sie Meile um Meile zurücklegten, war sie in Gedanken bereits in Ramiz’ Heimatstadt, die auf eine so lange und bewegte Geschichte zurückschauen konnte.
Ramiz wiederum stellte zufrieden fest, welch aufmerksame und gebildete Zuhörerin er in Celia gefunden hatte. Da sie ein erstaunlich umfangreiches Wissen über das Alte Ägypten besaß, fand sie hier und da Ähnlichkeiten zwischen jenem vergangenen Reich und A’Qadiz. Tatsächlich waren ihre Kommentare so klug, dass er zeitweise ganz vergaß, dass er sich mit einer Frau unterhielt.
Irgendwann wandte ihr Gespräch sich den Pharaonen, den Pyramiden und anderen Zeugnissen der altägyptischen Kultur zu.
„Vielleicht haben Sie ja recht mit Ihrer Meinung bezüglich der Bedeutung der Sphinx“, erwiderte Celia auf eine Bemerkung, die er über diese riesige geheimnisvolle Steinskulptur gemacht hatte. „Aber Sie werden es nie beweisen können, denn es gibt keine schriftlichen Zeugnisse dazu.“
„So ist es“, stimmte er ihr zu. Dann stellte er erstaunt fest, dass die Sonne sich dem Horizont näherte.
Auch Celia fiel auf, dass der Tag sich dem Ende zuneigte. In der Ferne tauchte etwas auf, das eine Baumgruppe hätte sein können. Bäume inmitten der Wüste? Sie musste sich irren.
„Das ist die Oase, in der wir die Nacht verbringen werden“, sagte Ramiz in diesem Moment. „Dort gibt es Wasser, das Pflanzen, Tieren und Menschen gleichermaßen Leben schenkt. Sie können dort sogar ein Bad nehmen, wenn Sie möchten.“
„Ein Bad!“, rief Celia und schob den Schleier beiseite, um besser sehen zu können. Ein wohliger Schauer überlief sie, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Ramiz war fasziniert. Es war das erste Mal, dass er sie lächeln sah, und es veränderte ihr Gesicht vollkommen. Ihre Lippen wirkten plötzlich voller, ihre Augen größer und strahlender. Wahrhaftig, hinter ihrem kühlen Äußeren verbarg sich eine leidenschaftliche Frau! Eine Frau, deren Sinnlichkeit noch nicht geweckt worden war.
Verflixt, er sollte so nicht an sie denken!
Inzwischen hatten sie die Oase erreicht. Sie war so klein, dass niemand auf die Idee gekommen war, ständig hier zu leben. Aber für Reisende bot sie einen idealen Ort der Erholung. Erfreut stellte Ramiz fest, dass außer ihm und Celia an diesem Abend keine
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