Verführt im Harem des Scheichs
die wilde Fahrt von Alexandria nach Kairo und schließlich die Durchquerung der Wüste von A’Qadiz ihren Tribut.
Lord Armstrongs Nervenkostüm hatte gelitten. Die erste Unterredung mit Scheich Ramiz al-Muhana war eine Enttäuschung gewesen. Dann hatten zwei Eunuchen ihm den Zutritt zu den Räumen verwehrt, in denen seine weiblichen Verwandten sich aufhielten. Und als wäre das nicht schon genug, hatte er sich auch noch mit Lord Winchesters Dummheit und dem absolut uncharakteristischen Verhalten seiner Tochter auseinandersetzen müssen. Jetzt spürte er, dass die Grenzen seiner Belastbarkeit erreicht waren.
Er holte tief Luft. „Was hast du dir nur dabei gedacht, Celia?“, meinte er schwach.
Was hätte sie darum gegeben, ihren Vater nicht so zu enttäuschen! Sie biss sich auf die Lippe und suchte nach Worten. Aber zuletzt konnte sie doch nur sagen: „Das Problem ist ja gerade, dass ich nicht gedacht habe, Papa.“ Dann erhob sie sich, glättete ihre Abaya und erklärte: „Ramiz ist ein Ehrenmann und ein Herrscher, dem das Wohl seines Landes über alles geht. Ich bin sicher, dass dieser Vertrag mit ihm zustande kommt, wenn du ihm nur die Vorteile für A’Qadiz deutlich genug aufzeigst. Und was dieses … dieses Missverständnis angeht … Wahrscheinlich genügt es, ihm zu versichern, dass du nichts von Lord Winchesters Plan wusstest und dass du einem solchen Vorgehen auch niemals zugestimmt hättest. Verständlicherweise hat mein Verhalten zu einer … Entfremdung zwischen dir und mir geführt. Das zu wissen, dürfte Ramiz beruhigen.“
„Im Gegenteil“, ließ sich von der Tür her eine Stimme vernehmen. „Es wäre mir äußerst unangenehm, wenn es zu einer Entfremdung zwischen Ihnen und Ihrer Familie käme, Lady Celia. Ich weiß sehr wohl, wie viel Ihre Verwandten Ihnen bedeuten.“
Alle wandten sich um und starrten Ramiz an, der an der Tür stehen geblieben war. Er hatte die Nacht in der Wüste verbracht. Deren Stille sowie der von Sternen übersäte Himmel hatten viel dazu beigetragen, dass manches ihm klarer geworden war und dass er nun vernünftiger mit den Fakten umgehen konnte. Rückblickend hatte er erkannt, dass Celia tatsächlich nie versucht hatte, irgendwelche Informationen aus ihm herauszupressen. Außerdem – und das war noch bedeutend wichtiger – traute er ihr einfach nicht zu, eine Verräterin zu sein. Niemals, das spürte er einfach, würde sie ihn belügen.
Akil hatte in seinem Bericht über sie zweifellos übertrieben. Er mochte sie nicht und hatte vom ersten Moment an versucht, sie so schnell wie möglich aus A’Qadiz zu vertreiben. Die meisten anderen jedoch hielten sie für eine Frau, die zu keiner Hinterlist fähig war. Natürlich war es nicht ganz leicht, ihr zu vertrauen. Schließlich war sie eine Fremde. Aber ich liebe sie, dachte Ramiz, und kenne sie daher besser als sonst irgendwer in meinem Land.
Wie gut kannte er sie wirklich? Was wusste er über ihre Gefühle? Erwiderte sie seine Liebe? Ach, wenn sie doch mit ihm über ihre Empfindungen gesprochen hätte! Dann wäre alles einfacher!
Seine Überlegungen ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Und als die Sonne aufging, kehrte Ramiz zum Palast zurück.
Inzwischen war er sich seiner Liebe zu Celia ganz sicher: Sie gehörte zu ihm. Sie waren zwei Hälften eines Ganzen. Wie hätte eine Hälfte die andere verraten können? Es war einfach undenkbar!
Voller Hoffnung hatte er das Stadttor erreicht. Diese Hoffnung verließ ihn auch nicht, als er den Palast betrat und sich sogleich auf den Weg zum Harem machte. Schon von Weitem hatte er die offene Tür gesehen und erregte Stimmen gehört. Ohne sich bemerkbar zu machen, hatte er gespannt der Auseinandersetzung gelauscht.
In seiner Eile, Celia zu sehen, hatte er sich weder gewaschen noch seine Kleidung gewechselt. Seine Galabija und seine Ghutra waren von einer gelblichen Staubschicht überzogen. Bartstoppeln bedeckten sein Kinn, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe.
„Celia“, sagte er, ging, ohne die anderen zu beachten, auf sie zu und legte ihr die Hand auf den Arm. „Ich muss mit Ihnen reden.“
„Lassen Sie meine Nichte sofort los!“, befahl Lady Sophia. „Sie haben wirklich schon genug Schaden angerichtet.“
Er schaute zu ihr hin, stellte fest, dass sie eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einer Kameldame aufwies, die man in ein Kleid aus grauer Seide gesteckt hatte, bewunderte einen Moment lang den Mut, der sie bewog, mit zornig funkelnden Augen auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher