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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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dass du ihn verteidigst. Der Schuft ist schließlich dein Bruder.«
    »Und außerdem der einzige Vater, den ich je hatte. Er hat mich auf diese Welt geholt und unsere Mutter begraben, nachdem er mich mit eigener Hand abgenabelt hatte. Und anstatt mich einfach im Stich zu lassen, als er dann auf See ging, hatte er einen kinderlosen Kapitän mit Frau für mich ausfindig gemacht, die mich wie ihr eigenes Kind aufgezogen haben. Sie hatten nicht viel Geld, aber ein gemütliches Cottage auf dem Land – viel mehr, als ich normalerweise je gehabt hätte. Er hätte mich einfach dort lassen können und sich nie mehr um mich zu kümmern brauchen. Aber das hat er nicht. Er war immer viele Monate fort, aber jedes Mal, wenn er zurückkam, hatte er irgendein exotisches Geschenk für seinen kleinen Bruder dabei. Bis er dann eines Tages nicht mehr zurückkehrte.«
    Lucy drehte das Gesicht weg, doch Kevin ging vor ihr in die Hocke, wild entschlossen, ihr verständlich zu machen, worum es ihm ging. »Gerards Vater hatte den Großmut besessen, unsere Mutter zu heiraten. Kurz darauf ist er auf See verschollen. Mutter ist dann auf den Strich gegangen. Mein Vater ist irgendeiner von Dutzenden von Freiern. Ich bin ein Bastard, Lucy. Aber wie immer Gerard sich gerade nannte, er hat seinen Namen stets mit mir geteilt.«
    Lucy hob den Kopf. Die sanfte Brise trocknete ihre Tränen, die sie gar nicht vergießen wollte. »Dann solltest du dich glücklich schätzen, Kevin. Denn sein Name ist viel mehr, als er je mit mir teilen wird.«
     
    Lucy brauchte bis zum Morgen des nächsten Tages, bis sie sich endlich aufraffen konnte, sich bei Gerard zu entschuldigen. Gerard stand wie eine grimmige Galionsfigur am Bug seines Schiffs und schaute aufs Meer hinaus, als könne er allein durch Willenskraft ein Kriegsschiff Seiner Majestät Marine herbeiholen.
    Lucy gesellte sich zu seiner einsamen Wacht. »Vielleicht kommt er ja gar nicht«, sagte sie leise. »Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass er vielleicht froh ist, mich los zu sein?«
    Er warf ihr einen sarkastischen Blick zu. »Doch. Stündlich.«
    Bevor sie noch antworten konnte, war er schon fort und lautlos nach unten in den Frachtraum verschwunden.
    Lucy war nicht die Einzige, die an diesem Tag die scharfe Zunge des Kapitäns zu spüren bekam. Seine brütende Schwermut wurde von Stunde zu Stunde stärker und hüllte die Retribution in eine undurchdringlichere Wolke, als die schwarzen Segel es taten, die immerhin die Sonne verdeckten. Gerard Claremont war für seinen kühlen Kopf bekannt und sein ausgeglichenes Temperament. Aber jetzt bellte er seine Befehle mit der Bissigkeit eines irischen Wolfshunds. Seine Mannschaft beeilte sich, ihm alles recht zu machen, weil zu befürchten war, dass jede Verzögerung die nächste bissige Bemerkung zur Folge hatte.
    Als ein erleichterter Apollo schließlich verkündete, dass der Kapitän sich in seine Tageskajüte zurückgezogen habe, um die Logbücher durchzugehen, hatte Lucy den Vorschlag gemacht, zum Zeitvertreib Karikaturen zu zeichnen, um die Anspannung loszuwerden. Sie benutzte Kevins Rücken als Zeichenpult und war gerade dabei, einem begeisterten Segelmacher sein Porträt fertig zu zeichnen und letzte Hand an ein Paar Augengläser zu legen, als ihr das Blatt aus der Hand gerissen wurde.
    Lucy starrte dumpf auf Kevins muskulösen Rücken. Ihr Herz klopfte eine verspätete Warnung. Eine tödliche Stille legte sich über die Anwesenden, still wie die See vor dem ersten Donner der Kanonen. Sie richtete sich auf und sah Gerard das Papier ins Licht halten. Seine Fingerknöchel waren weiß vor Wut, aber er bemühte sich immerhin, die Zeichnung nicht zu verwischen.
    »Ganz brillant getroffen, findest du nicht auch, Pudge?«, fragte er freundlich.
    Pudge scharrte mit den Füßen. »J-ja, Sir.«
    »An der Wand einer Zelle in Newgate würde das ganz bestimmt einen tollen Eindruck machen.«
    Er überreichte Pudge das Papier und wandte sich Tam zu. Der versuchte noch, sein eigenes Bild im Bund seiner Hose verschwinden zu lassen. Aber Gerard schnappte ihm schnell die Zeichnung weg und runzelte die Stirn.
    »Ein bisschen viele Sommersprossen für meinen Geschmack«, erklärte Gerard nach eingehender Betrachtung. »Es täte mir Leid, wenn die Autoritäten deshalb Probleme hätten, dich zu identifizieren.«
    Er hob den Kopf und sah einen nach dem anderen an. Nur Lucy blieb sein bohrender Blick erspart, aber das machte es nicht besser.
    »Fidget«, sagte er und nahm

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