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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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seiner Haut duftete und dem Moschusduft der Liebe.
    Von kalten Schauern geschüttelt, wickelte Lucy sich fester in die Tagesdecke und stolperte zum Bullauge. Die Argonaut , die kaum zu sehen war vor lauter Rauch, feuerte die nächste Runde. Ob der Admiral wohl gerade übers frisch geschrubbte Deck marschierte und mit gewaltiger Stimme Kommandos brüllte? Kommandos, die die Retribution und das Mädchen, dem er seinen Namen gegeben hatte, zu Holz- und Knochensplittern zerschlagen würden.
    Der Zorn ließ Hitze in ihr aufsteigen. Sie hatte immer geglaubt, dass Vater sie lieben würde, wenn sie nur brav genug war. Aber nun, wo Gerard ihr den betörenden Geschmack wahrer Liebe gezeigt hatte, begriff sie, dass der Admiral nur ein unbedeutender, kleiner Tyrann war, unfähig, jemand anderen zu lieben als sich selbst.
    Als der Rauch sich verzog und aufkommender Wind die hässlichen Qualmwolken zerriss, kniff Lucy die Augen zusammen. Der Vollmond tauchte die Argonaut in ein unheiliges Licht. Der Vierundsiebzig-Kanoner lag reglos da und wartete nur darauf, sich auf seine hilflose Beute zu stürzen. Das abrupte Schweigen der Kanonen erschien ihr bedrohlicher als eine neuerliche Salve.
    Ein schrecklicher Verdacht schoss ihr durch den Kopf.
    »Nein«, flüsterte sie. Und dann lauter: »Nein!«
    Sie ließ die Decke fallen und griff sich Tams Hose und Hemd. Der Saum reichte ihr bis zu den Knien, doch sie hielt sich nicht damit auf, das Hemd in den Hosenbund zu stecken. Sie rannte zur Tür und betete, dass es noch nicht zu spät war.
     
    Diesmal trieb der Irrgarten im Bauch der Retribution Lucy nicht zur Verzweiflung. Das ungleichmäßige Stampfen des Schiffs hatte die meisten Laternen verlöschen lassen, doch sie stürzte sich mit blindem Vertrauen in die Dunkelheit. Ihre Liebe zum Kapitän dieses Schiffs war das einzige Licht, dessen sie bedurfte.
    Innerhalb weniger Sekunden hatte sie den Spiegel erreicht, der den geheimen Aufgang verbarg. Sie hämmerte auf das Glas, doch nichts bewegte sich. Einer der Kanonenschläge musste den verborgenen Mechanismus verkeilt haben. Lucy sank gegen das kühle Glas und hätte am liebsten vor Wut geweint. Doch dann warf sie die Haare aus dem Gesicht und sah sich konzentriert um, bis sie endlich einen herabgestürzten Balken entdeckte, der leicht genug war, ihn hochzuheben. Ohne das geringste Quäntchen Reue holte sie aus und zerschlug ihr Spiegelbild in tausend Splitter.
    Sie achtete nicht auf die scharfen Kanten, schob das zerbrochene Glas zur Seite und kletterte die Leiter hinauf. Sie stemmte die Falltür auf und war sofort in beißenden Rauch gehüllt. Sie wedelte mit den Armen und hustete. Links von ihr baumelte ein zerfetztes Segel, das noch schmorte.
    Sie wedelte sich erneut den Rauch vor den Augen weg. Doch sofort kamen ihr die Tränen.
    Sie war zu spät gekommen.
    Die Kapitulationsfahne hing oben am Mast vor der blassen Scheibe des Mondes und flatterte in einer Anmut, die im krassen Gegensatz zum verkohlten Chaos drum herum stand. Dass keiner der Männer protestierte, während Gerard ihr geliebtes Schiff preisgab, zeigte nur, wie sehr sie an ihren Kapitän glaubten. Sie standen still auf dem verwüsteten Deck, mit gesenkten Köpfen, nicht aber mit hängenden Schultern.
    Lucy wandelte unter ihnen wie eine Geistererscheinung. Sie hätte verlegen sein sollen, so zerwühlt, wie sie aussah mit ihrem zerzausten Haar und den skandalösen Anzeichen des Liebesakts. Doch sie hatte bei diesen Männern, durch sämtliche Ränge hindurch, all das gefunden, was der Admiral ihr mit perverser Freude vorenthalten hatte: vorurteilsfreie Akzeptanz, bedingungslose Freundschaft und eine menschliche Größe, die weder mit Herkunft zu tun hatte noch mit militärischem Rang, sondern allein mit Respekt.
    Sie blieb direkt vor Gerard stehen. Ihre leise Stimme bebte. »Das kannst du nicht tun. Hörst du mich? Das erlaube ich nicht.«
    Er starrte durch sie hindurch, als hätte ihn die Monstrosität seines Vorhabens blind und taub werden lassen. Von ihm war nichts zu erwarten. Lucy wandte sich an Tam, dessen sommersprossiges Gesicht kreidebleich war.
    »Du darfst ihn das nicht tun lassen, Tam. Verbiete es ihm!«
    Der junge Ire blickte zu einem weit entfernten Horizont und drehte dabei einen Rosenkranz in den Händen.
    Lucy lief zu Pudge und spürte einen Stich im Herzen, als sie einen Sprung im rechten Glas seines Binokels entdeckte, der ihr irgendwie wie die größte Untat von allen erschien. »Bitte, Pudge. Versuch

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