Verfuehrt, Verlobt - Verraten
Natürlich alles zu seinem Preis: Er würde die Firma seines Vaters komplett übernehmen. Albertos finanzielle Absicherung hing allein vom Großmut des verstoßenen Sohnes ab.
Er würde nur so lange in der Villa bleiben, bis diese Nachricht verstanden worden war. Zwei Tage maximal. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er irgendetwas mit dem alten Mann zu besprechen hätte. Was auch? Sie waren einander fremd und würden erleichtert sein, wieder getrennte Wege gehen zu können.
Giancarlo war so in seine Überlegungen vertieft, dass er fast die Abzweigung zur Villa verpasst hätte. Diese Seite des Sees war berühmt für die hochherrschaftlichen Gebäude, die zum Großteil noch aus dem achtzehnten Jahrhundert stammten, einige davon inzwischen zu exklusiven Hotels umgewandelt. Das Haus seines Vaters gehörte keineswegs zu den größten, dennoch bot der Bau einen beeindruckenden Anblick – einen Anblick, der ihm zudem erstaunlich vertraut war. Er konnte sich gut erinnern, wie er als Kind hier auf den weiten Rasenflächen gespielt hatte.
Er bremste den Wagen auf dem Hof ab, stieg aus und holte die kleine Reisetasche, seinen Laptop und den Aktenkoffer, in dem alle notwendigen Unterlagen für die Übernahme steckten, aus dem Wagen.
Vom Fenster ihres Zimmers verfolgte Caroline seine Ankunft mit. Ein Flattern meldete sich in ihrem Magen. Giancarlo war wirklich eine beeindruckende Erscheinung.
Während der letzten Woche hatte sie ihr Bestes getan, um sich davon zu überzeugen, dass er keineswegs so groß und selbstsicher war und auch nicht so gut aussah. Jetzt jedoch, während sie ihn beobachtete, wie er seine Tasche aus dem winzigen Kofferraum des Sportwagens hob, musste sie erkennen, dass er tatsächlich so überwältigend war, wie sie ihn in Erinnerung hatte.
Sie stürmte die Treppe hinunter und kam atemlos im Wohnraum auf der hinteren Seite der Villa an. „Er ist hier!“
Alberto saß in dem großen Sessel beim Bogenfenster, von dem aus man einen wunderschönen Blick auf den Garten und den dahinterliegenden See mit seinen Booten hatte. „So beruhige dich doch, Kind. Man sollte meinen, der Papst kommt zu Besuch.“
„Du wirst doch nett sein, Alberto, oder?“
„Ich bin immer nett. Du machst immer zu viel Wirbel, regst dich über die kleinsten Nichtigkeiten auf – das ist ungesund. Und jetzt geh und lass den Jungen ins Haus, bevor er wieder in seinen Wagen steigt und wegfährt. Und unterwegs kannst du dieser zänkischen Krankenschwester gleich noch sagen, dass ich mir vor dem Dinner ein Glas Whiskey genehmigen werde, ob es ihr nun passt oder nicht.“
„Das werde ich nicht tun, Alberto de Vito. Wenn du die Anweisungen des Doktors missachten willst, dann kannst du das Tessa selbst mitteilen. Ich möchte zu gern erleben, wie sie darauf reagiert.“ Sie lächelte dem alten Mann vorwitzig zu. Jetzt, da sie Giancarlo getroffen hatte, konnte sie die erstaunliche Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn erkennen. Beide Männer hatten die gleichen aristokratischen Gesichtszüge, beide die gleiche große, schlanke Statur. In seiner Jugend musste Alberto genauso faszinierend ausgesehen haben wie Giancarlo heute.
„Hör endlich mit dem Gezeter auf und lauf zur Tür, Mädchen“, scheuchte er sie mit einer Handbewegung fort.
Caroline kam genau in dem Moment bei der Haustür an, in dem die Klingel ertönte. Ein letztes Mal strich sie sich nervös über den schwarzen Rock, zu dem sie ein lockeres Top und die obligatorische Strickjacke trug, dann zog sie die Tür auf – und bekam prompt einen trockenen Mund.
Giancarlo sah aus, als wäre er soeben einem Männermagazin entstiegen – helles Poloshirt, dunkle Hose, Loafers aus weichem Leder, jeder Zoll der modebewusste Italiener mit dem unfehlbaren Geschmack. Bis er eine Augenbraue in die Höhe zog und kühl fragte: „Haben Sie etwa beim Fenster gestanden und gewartet?“
Ja, aber das würde sie nicht zugeben. „Natürlich nicht. Ich hatte eher damit gerechnet, dass Sie nicht kommen.“ Sie trat beiseite und bat Giancarlo herein.
Und er stand wieder in dem Haus, in dem er die ersten zwölf Jahre seines Lebens verbracht hatte. Es hatte sich erstaunlich wenig verändert – die große Halle ganz in Marmor, die geschwungenen Treppen, die zu beiden Seiten nach oben führten, die breite Galerie dort oben. Hier unten führten Türen zu unzähligen Räumen, die sich wie ein Spinnennetz durch das ganze Haus woben. Er konnte die Aufteilung wieder genau vor sich sehen – die
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