Verführt von einer Lady
wenden, „mein Vorname … Mein voller Name lautet John Augustus Cavendish-Audley.“
„Wer waren Ihre Eltern?“, flüsterte Thomas. Aber er bekam keine Antwort, und er hörte, wie seine Stimme brach, als er nachhakte: „Wer war Ihr Vater?“
Audley fuhr zu ihm herum. „Wer zum Teufel soll es schon gewesen sein, was meinen Sie?“
Thomas’ Welt fiel in sich zusammen. Jeder Augenblick, jede Erinnerung, jeder Atemzug, die ihm zu verstehen gegeben hatten, wer er war … sie alle zerstoben in nichts, ließen ihn allein zurück, nackt, völlig orientierungslos.
„Ihre Eltern“, sagte er mit bebender Stimme. „Waren sie verheiratet?“
„Was wollen Sie damit andeuten?“, knurrte Audley.
„Bitte“, flehte Grace und warf sich noch einmal zwischen die beiden. „Er weiß es nicht.“ Sie sah zu Thomas, und er wusste, was sie ihm zu sagen versuchte. Audley wusste es nicht. Er hatte keine Ahnung, was es bedeutete, wenn er tatsächlich ehelich geboren war.
Grace sah ihn entschuldigend an. Denn sie gab ihm auch zu verstehen, dass sie es ihm sagen mussten. Sie konnten es nicht geheim halten, egal, was es für Konsequenzen nach sich zog. Sie sagte: „Erkläre doch mal irgendjemand Mr. Audley …“
„Cavendish“, fuhr die Herzoginwitwe dazwischen.
„Mr. Cavendish-Audley“, verbesserte Grace sich, diplomatisch wie immer. „Irgendwer muss ihm sagen, dass … dass …“ Panisch sah sie von einem zum anderen, und am Ende fiel ihr Blick auf Mr. Audleys benommene Miene. „Ihr Vater – das heißt, der Mann auf dem Bild, wenn man einmal annimmt, dass er Ihr Vater ist – war der Onkel des Herzogs, der … ältere Onkel.“
Niemand sagte etwas.
Grace räusperte sich. „Wenn Ihre Eltern also wirklich rechtmäßig verheiratet waren …“
„Natürlich waren sie das“, stieß Audley hervor.
„Ja, natürlich. Das heißt, so natürlich ist das gar nicht …“
„Sie will damit sagen“, mischte Thomas sich scharf ein, denn er ertrug es keinen Augenblick länger, „dass Sie , wenn Sie in der Tat ein legitimer Abkömmling von John Cavendish sind, der Duke of Wyndham sind.“
Und dann wartete er. Worauf, das wusste er nicht, aber er hatte die Nase voll. Er hatte sein Scherflein beigetragen. Jetzt konnte jemand anders vortreten und seine verdammte Meinung dazu kundtun.
„Nein“, sagte Audley schließlich und setzte sich auf den nächstbesten Stuhl. „Nein.“
„Sie werden bleiben“, befahl die Dowager Duchess, „bis die ganze Angelegenheit zu meiner Zufriedenheit geregelt ist.“
„Nein“, wiederholte Audley weitaus entschlossener. „Kommt nicht infrage.“
„O doch“, entgegnete sie. „Wenn Sie nicht bleiben wollen, werde ich Sie dem Friedensrichter übergeben, Dieb, der Sie sind.“
„Das würden Sie doch nicht tun!“, platzte Grace heraus. Zu Audley sagte sie: „Sie würde das nie tun. Nicht, wenn sie glaubt, Sie seien ihr Enkel.“
„Halten Sie den Mund!“, knurrte die Herzoginwitwe. „Ich weiß nicht, was Sie da zu tun glauben, Miss Eversleigh. Sie gehören nicht zur Familie und haben hier nichts zu suchen.“
Thomas wollte einschreiten, doch bevor er noch etwas sagen konnte, erhob Audley sich. Seine Haltung war aufrecht und stolz, sein Blick hart.
Zum ersten Mal war Thomas nicht mehr überzeugt davon, dass das mit dem Militärdienst gelogen war. Denn Audley war jeden Zoll Offizier, als er befahl: „Sprechen Sie nie wieder so mit ihr.“
Die Herzoginwitwe prallte zurück, wie betäubt, dass er so mit ihr sprechen konnte, und das wegen einer Person, die ihr nicht der Beachtung wert schien. „Ich bin Ihre Großmutter“, stieß sie hervor.
Audley ließ sie nicht aus den Augen. „Das muss sich erst noch herausstellen.“
„Was?“, platzte Thomas heraus, bevor er noch Gelegenheit hatte, sich zu mäßigen. „Wollen Sie damit sagen, Sie glauben nicht, dass Sie John Cavendishs Sohn sind?“
Der andere Mann zuckte mit den Schultern und sah plötzlich wieder wie der Schurke aus, den er davor gespielt hatte. „Ehrlich gesagt bin ich mir nicht so sicher, ob ich zu Ihrem reizenden Kreis wirklich Zutritt erlangen möchte.“
„Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig“, erklärte die Herzoginwitwe.
Audley warf ihr einen Seitenblick zu. „Ganz die liebevolle Anverwandte. So rücksichtsvoll. Wirklich, die beste Großmutter aller Zeiten.“
Grace prustete erstickt – was Thomas unter anderen Umständen ebenfalls getan hätte. Nein, er hätte wohl eher laut herausgelacht. Aber
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