Verführt von einer Lady
dann wieder Thomas zu. „Einen guten Heimritt, mein Freund.“
Thomas grüßte, indem er sich mit dem Finger an die Schläfe tippte, und ging zur Tür hinaus. Audley folgte ihm.
„Sie sind mit dem Gastwirt befreundet“, sagte Audley, sobald sie draußen waren.
Thomas wandte sich ihm mit einem breiten, falschen Lächeln zu. „Ich bin ein freundlicher Bursche.“
Und das war die letzte Bemerkung, die zwischen ihnen fiel, bis sie kurz vor Belgrave waren. Da meinte Audley: „Wir müssen uns eine Geschichte ausdenken.“
Thomas sah ihn schief an.
„Vermutlich möchten Sie nicht verbreiten, dass ich Ihr Vetter bin – der Sohn des älteren Bruder Ihres Vaters, um genau zu sein –, ehe Sie es nachgeprüft haben.“
„Allerdings nicht“, bestätigte Thomas. Sein Ton war kurz angebunden, aber hauptsächlich deswegen, weil er zornig auf sich selbst war, dass ihm dieser Gedanke nicht schon früher gekommen war.
Audleys süffisanter Blick und das selbstgefällige Grinsen taten ein Übriges, um ihn bis aufs Blut zu reizen. „Wollen wir alte Freunde sein?“
„Vielleicht Studienkollegen, von der Universität?“
„Ähm, nein. Können Sie boxen?“
„Nein.“
„Fechten?“
Wie ein Meister. „Ganz gut“, meinte er achselzuckend.
„Dann ist das unsere Geschichte. Wir haben es vor Jahren gemeinsam gelernt.“
Thomas hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. Belgrave rückte immer näher. „Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie trainieren möchten“, sagte er.
„Sie haben die Ausrüstung?“
„Alles, was man dazu braucht.“
Audley schaute auf Belgrave, das wie ein steinernes Ungeheuer vor ihnen aufragte und die letzten Sonnenstrahlen verdüsterte. „Und dazu alles, was man nicht braucht, könnte ich mir vorstellen.“
Thomas äußerte sich nicht dazu, stieg nur von seinem Pferd ab und reichte dem wartenden Lakaien die Zügel. Er ging ins Haus, froh, dem Mann endlich den Rücken kehren zu können. Nicht dass er ihn hätte übergehen wollen. Es war eher so, dass er ihn am liebsten vergessen hätte.
Wie schön sein Leben vor zwölf Stunden noch gewesen war.
Nein, eher vor acht. Da hatte er sich bereits ein wenig mit Amelia vergnügt.
Ja, das war genau der richtige Moment, um sein altes von seinem neuen Leben abzutrennen. Nach Amelia, vor Audley.
Der Moment der Vollkommenheit.
Aber so weitreichend die Macht eines Herzogs auch sein mochte, die Uhr konnte auch er nicht zurückdrehen, und da er nichts anderes sein wollte als der weltgewandte, absolut unabhängige Mann, der er früher immer gewesen war, gab er dem Butler ein paar Befehle, wie mit Mr. Audley zu verfahren sei, und begab sich dann in den Salon, wo seine Großmutter und Grace warteten.
„Wyndham“, sagte die Herzoginwitwe energisch.
Er nickte ihr knapp zu. „Ich habe Mr. Audleys Sachen ins blaue Zimmer bringen lassen.“
„Hervorragende Wahl“, erwiderte seine Großmutter. „Aber ich muss wiederholen: Ich möchte nicht, dass er in meiner Anwesenheit mit Audley angesprochen wird. Ich kenne diese Audleys nicht, und ich will sie auch gar nicht kennenlernen.“
„Ich könnte mir vorstellen, dass sie auf Ihre Bekanntschaft auch keinen gesteigerten Wert legen.“ Dies kam von Mr. Audley, der das Zimmer auf flinken, aber leisen Sohlen betreten hatte.
Thomas sah zu seiner Großmutter. Die hob nur eine Braue, wie um ihre Erhabenheit zu betonen.
„Mary Audley ist die Schwester meiner Mutter“, sagte Audley. „Sie und ihr Mann William Audley haben mich nach meiner Geburt aufgenommen. Die Audleys behandelten mich stets wie ihr eigenes Kind und gaben mir – auf meinen Wunsch hin – ihren Namen. Ich möchte ihn beibehalten.“
Thomas konnte nicht anders, er genoss es.
Audley wandte sich dann zu Grace und verneigte sich. „Sie dürfen Mr. Audley zu mir sagen, Miss Eversleigh, wenn Sie möchten.“
Grace versank in einem idiotischen kleinen Knicks und sah dann zu Thomas hinüber. Warum? Um ihn um Erlaubnis zu fragen?
„Sie kann Sie nicht entlassen, nur weil Sie ihn mit seinem rechtmäßigen Namen ansprechen“, sagte Thomas ungeduldig. „Und wenn sie es doch tut, schicke ich Sie mit einer lebenslangen Leibrente in Pension und verfrachte sie auf irgendein abgelegenes Landgut.“
„Das ist verlockend“, meinte Audley. „Wie weit fort man sie wohl verfrachten kann?“
Thomas hätte beinahe gelächelt. So irritierend Audley auch war, hin und wieder war er einfach köstlich. „Ich dachte daran, unsere Güter zu mehren“,
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