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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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groß geschehen? Dass jemand sie sah und sie dann heiraten mussten? Sie waren doch schon verlobt.
    Oder vielleicht doch nicht? Er kannte sich nicht mehr aus.
    „Ich weiß, dass wir damit nur eine Zeremonie beschleunigen würden, die seit Jahrzehnten schon festgelegt ist, aber …“, hier begann ihre Stimme zu zittern, worauf sein Herz von Schuldgefühlen durchbohrt wurde, „… Sie wollen es ja nicht. Noch nicht. Sie haben das unmissverständlich klargemacht.“
    „Das ist nicht wahr“, wandte er rasch ein. Und das war es auch nicht. Nicht mehr. Und das wussten sie beide. Als er sie jetzt ansah – ihr blondes Haar leuchtete in der Morgensonne, und ihre Augen wirkten diesmal eher grün als braun –, wusste er nicht mehr, warum er die Hochzeit so lange aufgeschoben hatte.
    „ Ich will es nicht“, sagte sie beinahe flüsternd. „Nicht so. Nicht irgendeine hastige, zusammengeschusterte Feier. Es glaubt doch schon jetzt keiner, dass Sie mich wirklich heiraten wollen.“
    Er wollte ihr widersprechen, ihr sagen, sie sei närrisch und albern und bilde sich Dinge ein, die einfach nicht stimmten. Aber er brachte es nicht fertig. Schlecht hatte er sie nicht behandelt, aber auch nicht gut.
    Er sah sie an, sah ihr ins Gesicht, und ihm war, als hätte er sie bis dahin noch nie richtig angesehen. Sie war wunderbar. In jeder Hinsicht. Und sie hätte längst seine Frau sein können.
    Aber für ihn hatte sich die Welt seit dem gestrigen Tag grundlegend verändert, er wusste nicht, ob er noch ein Anrecht auf sie hatte. Und, lieber Himmel, das Letzte, was er jetzt tun wollte, war, sie nach Belgrave mitzunehmen. Das wäre vielleicht ein Spaß! Er könnte sie mit dem Straßenräuber Jack bekannt machen. Das Gespräch konnte er sich lebhaft vorstellen.
    Amelia, darf ich Ihnen meinen Cousin vorstellen?
    Ihren Cousin?
    Allerdings. Er könnte der Herzog sein.
    Wer sind dann Sie?
    Ausgezeichnete Frage.
    Ganz zu schweigen von den vielen anderen ausgezeichneten Fragen, die sie sicher stellen würde, vor allem – wie genau war es eigentlich um ihre Verlobung bestellt?
    Lieber Gott. Es brachte ihn schier um den Verstand, und dabei begann sein Verstand sich doch gerade erst von einer durchzechten Nacht zu erholen!
    Es wäre so einfach, darauf zu bestehen, dass sie nicht nach Belgrave fuhren. Er war es gewohnt, Entscheidungen zu treffen, und sie war es gewohnt, sich ihnen zu beugen. Wenn er sich nun über ihre Wünsche hinwegsetzte, wäre das keineswegs untypisch für ihn.
    Aber er brachte es nicht fertig. Nicht an diesem Tag.
    Vielleicht würde ihre Mutter nicht nach ihr sehen. Vielleicht würde niemand je erfahren, dass sie nicht dort gewesen war, wo sie behauptet hatte, gewesen zu sein.
    Aber Amelia würde es wissen. Sie würde wissen, dass sie ihm in die Augen gesehen und ihm erklärt hatte, warum sie nach Belgrave fahren müsse, und sie würde wissen, dass er so herzlos gewesen war, ihre Gefühle nicht zu berücksichtigen.
    Und er würde wissen, dass er sie verletzt hatte.
    „Also schön“, sagte er brüsk. „Fahren wir eben nach Belgrave.“ Es war nicht direkt ein Cottage. Bestimmt könnten sie Mr. Audley aus dem Weg gehen. Wahrscheinlich lag er ohnehin noch im Bett. Er schien nicht der Typ, der die Morgensonne genoss.
    Thomas wies den Kutscher an, ihn nach Hause zu fahren, und stieg zu Amelia in die Kutsche. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie erpicht sind auf die Gesellschaft meiner Großmutter.“
    „Nicht direkt, nein.“
    „Sie hält sich gern in den vorderen Räumlichkeiten auf.“ Und falls Mr. Audley doch schon wach sein sollte, wäre er wohl ebenfalls dort, wahrscheinlich um das Silber zu zählen oder abzuschätzen, wie viel die Canalettos im nördlichen Vorraum wert waren.
    Thomas sah Amelia an. „Wir nehmen am besten den hinteren Eingang.“
    Sie nickte, und so geschah es.
    Als sie auf Belgrave ankamen, steuerte der Kutscher direkt die Ställe an, vermutlich auf Anordnung des Herzogs hin, dachte Amelia. Tatsächlich erreichten sie ihr Ziel, ohne die Vorderfront des Schlosses überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Falls die Herzoginwitwe sich dort aufhielt, wo Wyndham sie vermutete – und tatsächlich hatte Amelia die alte Dame bei all ihren Besuchen in nicht mehr als drei verschiedenen Räumen gesehen, die alle nach vorn hinausgingen –, könnten sie den restlichen Vormittag vergleichsweise friedlich verbringen.
    „Ich glaube nicht, dass ich Belgrave je von dieser Seite gesehen habe“, sagte Amelia, als sie

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