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Verführt von einer Lady

Verführt von einer Lady

Titel: Verführt von einer Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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1791.
    Amelia berührte die Karte, ließ einen Finger über Asien wandern und dann bis zur südlichsten Spitze Afrikas. „Wie groß sie ist“, murmelte sie, halb zu sich selbst.
    „Die Welt?“, fragte er, und sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.
    „Ja“, hauchte sie.
    Thomas stellte sich neben sie und deutete auf die Britischen Inseln. „Schauen Sie nur, wie klein wir sind.“
    „Das kommt einem schon merkwürdig vor, nicht wahr?“, sagte sie und versuchte gleichzeitig, nicht darauf zu achten, dass er so nah bei ihr stand, dass sie seine Körperwärme spürte. „Ich bin immer erstaunt, wie weit es nach London ist, aber hier …“, sie wies auf die Karte, „… sieht es nach nichts aus.“
    „Nicht nach nichts.“ Mit dem kleinen Finger maß er die Entfernung. „Mindestens ein halber Fingernagel.“
    Sie lächelte auf das Buch hinab, was ihr weitaus leichter fiel, als ihn anzulächeln. „Die Welt in Fingernägeln gemessen. Das wäre eine interessante Studie.“
    Er lachte. „Irgendwo, an irgendeiner Universität, sitzt bestimmt irgendjemand, der zurzeit genau das erforscht, das versichere ich Ihnen.“
    Sie sah ihn an, was vermutlich ein Fehler war, weil sie danach ein wenig atemlos war. Trotzdem war sie noch imstande zu sagen (und das in halbwegs vernünftigem Ton): „Sind Professoren denn wirklich so exzentrisch?“
    „Die mit den langen Fingernägeln schon.“
    Sie lachte, und er stimmte in ihr Gelächter ein, und plötzlich bemerkte sie, dass sie beide nicht mehr auf die Karte blickten.
    Seine Augen, dachte sie seltsam losgelöst, als würde sie ein Kunstwerk betrachten. Sie mochte seine Augen. Sie sah sie gern an.
    Wie konnte sie nur übersehen haben, dass das rechte einen Streifen hatte? Sie hatte immer geglaubt, er habe blaue Augen – nicht hellblau, nicht mittelblau, auch nicht himmelblau, sondern von einem dunklen, rauchigen Blau, vermischt mit einer winzigen Spur Grau. Aber nun sah sie ganz deutlich, dass sich durch die eine Iris ein brauner Streifen zog. Er reichte von der Pupille nach unten, an die Stelle, wo man bei einer Uhr die Vier finden würde.
    Sie fragte sich, wieso ihr das noch nie aufgefallen war. Vielleicht hatte sie nur nicht genau genug hingesehen. Oder vielleicht war sie ihm auch nie nahe genug gekommen, um genau hinzusehen.
    Und dann murmelte er mit einer Stimme, die ebenso nachdenklich und gedämpft war, wie es ihre gewesen wäre, wenn sie etwas zu sagen gewagt hätte: „Ihre Augen wirken im Moment beinahe braun.“
    Amelia zuckte zusammen und erwachte aus ihrer Versunkenheit. „Sie haben einen Streifen.“
    Und wäre prompt am liebsten aus dem Zimmer gerannt. Was für eine hohlköpfige Bemerkung!
    Er berührte den blauen Fleck an seinem Wangenknochen. „Einen Streifen?“
    „Nein, in Ihrem Auge“, stellte sie richtig, denn sie konnte die Bemerkung ohnehin nicht mehr zurücknehmen. Da konnte sie genauso gut erklären, was genau sie gemeint hatte. Mit der rechten Hand fuhr sie verlegen durch die Luft, wirkte einen Moment so, als wollte sie darauf deuten, zuckte dann jedoch wieder zurück, schließlich konnte sie ihn nicht einfach so anfassen, vor allem nicht am Auge.
    „Oh. Ach, das. Ja, das ist merkwürdig, nicht wahr?“ Sein Gesicht verzog sich zu einem seltsamen Ausdruck. Nein, eigentlich nicht. An jemand anderem wäre diese Miene durchaus nicht seltsam gewesen, nur an ihm. Bescheidenheit lag darin, und leichte Verlegenheit, und sie war so durch und durch menschlich, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte.
    „Das ist bis jetzt noch niemandem aufgefallen“, fügte er hinzu. „Vermutlich ist das ganz gut so. Es handelt sich um einen dummen kleinen Makel.“
    War er etwa auf ein Kompliment aus? Sie presste die Lippen zusammen, um ein Lächeln zu verbergen. „Mir gefällt es“, sagte sie. „Mir gefällt alles, was Sie weniger perfekt wirken lässt.“
    Etwas in seiner Miene erwärmte sich. „Wirklich?“
    Sie nickte und wandte dann den Blick ab. Komisch, dass es ihr viel leichter fiel, freimütig und tapfer zu sein, wenn er zornig – oder betrunken – war, als wenn er sie anlächelte.
    „Dann werden Sie an mir bestimmt vieles entdecken, was Ihnen gefallen könnte“, sagte er, wobei sein Mund ihrem Ohr gefährlich nahe kam, „wenn Sie mich erst einmal besser kennenlernen.“
    Sie gab vor, die Karte zu betrachten. „Wollen Sie damit etwa sagen, Sie seien nicht perfekt?“
    „ So etwas würde mir nie über die Lippen kommen“, neckte er

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