Verfuehrt zur Liebe
Schritte legten beredt Zeugnis von ihrer Stimmung ab.
Er holte tief Luft, hielt sie an - rang den machtvollen Drang nieder, ihr zu folgen. Er war sich bewusst, dass der Mond seinen Schatten auf die Terrasse warf, dass jeder, der die Vorgänge vom Salon aus verfolgt hatte, wissen würde, dass sie alleine fortgegangen war - dass er ihr nicht folgte.
Sie hatte den Rasen erreicht und schlug die Richtung zum See ein.
Er machte kehrt, ging über die Terrasse zurück, an den Türen zum Salon vorbei, die immer noch einen Spalt breit offen standen, so wie er sie hinterlassen hatte; ohne einen Blick nach rechts oder links machte er sich auf den Weg zu den Stallungen.
Und hoffte verzweifelt, dass ihm genug Zeit bliebe, um trotz des Umwegs rechtzeitig bei ihr auf der anderen Seite des Sees anzukommen, bevor der Mörder es tat.
17
Portia überquerte mit raschen Schritten den Rasen zum See. Sie war zuversichtlich, dass sie dabei angespannt und leicht besorgt wirkte. Das Durcheinander von Gefühlen und Empfindungen in ihr machte es ihr leicht, aufgewühlt zu erscheinen.
Billige Kokotte? Das war nicht in dem vorgekommen, was sie geübt hatten. Und ihre Ohrfeige für ihn auch nicht. Er hatte das absichtlich getan. Sie konnte vielleicht verstehen warum, aber sie würde ihm das nicht so ohne weiteres verzeihen. In der Hitze des Augenblicks hatte der Vorwurf sie getroffen, gekränkt.
Ihre Wangen fühlten sich noch heiß an; während sie ging, legte sie sich die Hände aufs Gesicht, um das Brennen zu lindern.
Versuchte verzweifelt, ihre Gedanken wieder unter Kontrolle zu bekommen, sich auf das zu konzentrieren, weswegen sie hier war, weswegen sie diesen schrecklichen Streit hatten aufführen müssen.
Stokes hatte behauptet, dass der Mörder sich ihr nur nähern würde, wenn er glaubte, dass sie allein war - allein in der passenden Umgebung, sodass er sie umbringen und dann unentdeckt entkommen konnte. Niemand würde ohne weiteres glauben, dass sie einfältig genug wäre, in der Dämmerung allein durch die Gärten zu wandern - nicht ohne einen guten Grund.
Und mehr noch, niemand würde glauben, dass Simon es ihr gestatten würde - nicht ohne einen guten Grund. Nicht ohne dass etwas Wichtiges geschehen wäre, das ihn dazu gebracht hätte aufzuhören, über sie zu wachen.
Offensichtlich war seine Angewohnheit, die er zugegebenermaßen nie zu verbergen gesucht hatte, kein Geheimnis.
Bis Charlie es angesprochen hatte, hatte sie nie darüber nachgedacht, wie Simons Verhalten all die Jahre lang auf andere gewirkt haben musste ...
Jetzt fragte sie sich, mit dem Wissen, das sie nun hatte, wie sie je so blind hatte sein können.
Sie erschrak leicht, als ihr wieder einfiel, dass sie nach dem Mörder Ausschau halten musste. Wenn sie Erfolg gehabt hatten, war er jetzt unterwegs und suchte sie.
Ihre Vorliebe für den Weg um den See war, wie Stokes und Charlie gesagt hatten, allseits bekannt, aber sie hatten sich dafür auch noch aus einem anderen Grund entschieden; der Weg war auf der gesamten Länge gut einzusehen, sodass es für Stokes und Charlie ein Leichtes wäre, sich zu verstecken und sie zu beobachten. Natürlich würde Simon zu ihnen stoßen, aber damit ihr Plan nicht in Gefahr geriet, musste er den beträchtlichen Umweg über die Stallungen nehmen.
Blenkinsop war ebenfalls auf der Hut, der einzige andere, den sie eingeweiht hatten. Simon hatte eigentlich die Gärten mit Lakaien als Wachen besetzt sehen wollen, die wie Statuen in den Schatten standen; einzig der Einwand, dass der Mörder sie bemerken würde, wenn er Portia suchen ging, und so Wind von ihrem Plan nach all der schweren Arbeit bekommen würde, hatte ihn davon abbringen können.
Aber Blenkinsop war wie alle guten Dienstboten praktisch unsichtbar. Er würde am Haus Wache stehen und dem Gentleman folgen, der sich auf den Weg zum See machte.
Sie erreichte den Rand der Rasenfläche und ging zügig den abschüssigen Weg hinab. Sie schaute nach oben, betrachtete prüfend den Himmel und holte tief Luft.
Das Wetter war das Einzige, was bis dahin nicht zu ihrem Plan passte. Wolken waren aufgezogen, zackig und dunkel, die zwar nicht vorzeitig den Sonnenuntergang einleiteten, aber das Zwielicht verstärkten.
Sie lief weiter, als sei sie immer noch furchtbar wütend; innerlich verspürte sie anders als erwartet keine erwartungsvolle Ruhe, sondern eine unangenehme Anspannung. Die Gefühle, die durch den Streit aufgewühlt waren, mussten sich erst wieder beruhigen; im
Weitere Kostenlose Bücher