Verfuehrt zur Liebe
in dieser Frage eine fundierte Meinung zu bilden.
Alles in allem gab es keine unüberwindlichen Nachteile, nicht für sie persönlich.
Was die Vorteile anging, so wusste sie genau, was sie wollte. Sie wollte alles lernen über die Ehe, bevor sie sich dafür entschied. Sie musste auch über die körperliche Seite der Verbindung Bescheid wissen, die dazu gehörte. Die Katastrophe, die Kitty aus ihrer Ehe gemacht hatte, unterstrich diese Notwendigkeit nur. Wenn sie sich nach allem, was sie in dieser Woche gesehen hatte, erlaubte, schlecht überlegte Entscheidungen zu treffen, dann würde sie es sich nicht verzeihen.
Die Ehe mit allem, was dazu gehörte, zu verstehen, war ihr ursprüngliches Ziel gewesen ... doch jetzt war da mehr. Sie wollte auch wissen, was das emotionale Band zwischen ihr und Simon eigentlich war - das Gefühl, das es ihr nicht nur möglich, sondern auch erstrebenswert erscheinen ließ, in sein Bett zu kommen.
Angesichts von Kittys Verhalten schien es nur klug, das herauszufinden.
Wie die Sache lag, bestand das einzige Risiko, das sie erkennen konnte, in ihren Gefühlen. Und das war rein theoretisch, denn noch wusste sie ja nicht, was das eigentlich war, das sie dazu brachte, mit ihm intim werden zu wollen.
Was, wenn das Gefühl, das zwischen ihnen wuchs, sich am Ende als Liebe entpuppte?
Sie hatte keine Ahnung, ob das möglich wäre; zusammen mit Männern und Ehe hatte auch Liebe auf der Liste der Sachen gestanden, mit denen sie sich nie beschäftigt hatte.
Jedenfalls hatte sie die Liebe nicht gesucht; sie war nicht der Grund, warum sie sein Angebot angenommen hatte, ihr beizubringen, was sie wissen wollte. Doch sie war nicht dumm und auch nicht arrogant genug, sich nicht zu fragen, ob - so seltsam es auch war - sie sich jetzt vielleicht doch damit konfrontiert sah.
Nachdem sie es getan hatten - einmal, zweimal ... wie oft auch immer sie brauchte, um all das zu lernen, was sie sich wünschte, und das Gefühl zu identifizieren -, wenn es nicht Liebe war, dann würden sie sich trennen, ihr Experiment wäre zu Ende, ihr Wissen erweitert. So ein Ausgang erschien ihr sicher und geradeaus. Dort lag auch keine Gefahr.
Die Bedrohung befand sich auf der anderen Seite der Münze. Was, wenn es wirklich Liebe war? Was dann?
Sie kannte die Antwort; wenn es Liebe war, entweder für sie oder für ihn oder gar für sie beide und er das begriff, würde er auf einer Ehe bestehen, und sie würde ihn nicht so leicht davon abbringen können.
Schließlich war er ein Cynster. Doch wenn er sich durchsetzte, was wäre dann sie?
Mit einem Cynster verheiratet. Möglicherweise nicht nur verheiratet mit ihm, sondern auch verliebt in ihn - wenn überhaupt, dann war das vermutlich noch schlimmer. Wenn Liebe sie beide beherrschte, dann wäre es vielleicht zu schaffen - aber im Grunde hatte sie davon keine Ahnung-, doch wenn die Liebe einseitig wäre, war die Lage unendlich trostlos.
Darin lag das Risiko.
Die Frage, vor der sie stand, jetzt, in dieser Nacht, war, wollte sie das riskieren? Wagte sie es?
Sie seufzte, betrachtete die Umrisse der Bäume draußen.
Wenn sie die Frage jetzt nicht zu beantworten versuchte -sein Angebot nicht annahm, sich von ihm verführen zu lassen -, würden sie innerhalb weniger Tage getrennte Wege gehen. Sie würde nach Rutlandshire zurückkehren, brennend vor Neugier. Würde sie jemanden finden, der ihr half, ihren Wissensdurst zu stillen? Wem sonst konnte sie so sehr vertrauen?
Die Chance, dass sie sich diesen Sommer wiedersähen, und dazu noch in passender Umgebung, war gering. Sie konnte nicht sicher sein, ob er nächsten Monat noch willens wäre, ihr alles zu zeigen - von drei oder mehr Monaten ganz zu schweigen.
Konnte sie es ertragen, sich zurückzuziehen, sich abzuwenden, einen Rückzieher zu machen und es nicht zu erfahren? Konnte sie ohne das Wissen leben, was körperliche Liebe eigentlich war? Nie herausfinden, ob es Liebe war, ob sie beide davon betroffen waren, und was das bedeutete?
Ihre Lippen zuckten selbstironisch. Da war keine Frage. Unbesonnen und arrogant rücksichtslos, eigensinnig bis zur Unvernunft, wie sie war, lag es ihr schlicht nicht, einfach aufzuhören. Gleichgültig, wie geartet das Risiko war.
Doch so, wie die Lage sich darstellte, war es gut möglich, dass in dieser Nacht zu Simon zu gehen das Vernünftigste und Sicherste war, was sie tun konnte. Andere mochten sie unbesonnen und wild nennen, aber ihre Sicht der Dinge erschien ihr vollkommen
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