Verfuehrung
zusammengeschlagen wurde, und bohrte ihre Fingernägel in die Handflächen, bis sie bluteten.
Mama Lanti schaute immer noch zweifelnd drein. »Nun, wenigstens brauchen wir dein Geld nicht mehr für den Abbate auszugeben«, gestand sie zu.
»Wir werden ihn nicht im Stich lassen!«, brauste Calori auf. »Jetzt erst recht nicht!
»Und wie willst du ihm helfen?«, fragte Mama Lanti, nicht höhnisch, das war das Schlimmste, sondern in dem vernünftigen Tonfall einer Mutter, die ihrem Kind erklärt, warum es nicht in die hübschen Flammen fassen sollte. »Selbst wenn du dich in die nächste Postkutsche nach Pesaro setzt: Wenn die Contessa ihn auch hat verprügeln lassen, oder Schlimmeres, dann ist es geschehen, bis du dort eintriffst, und du bist hier vertragsbrüchig geworden, was bedeutet, dass du überhaupt kein Gehalt bekommst. Dann kannst du keinen von uns ernähren, noch nicht einmal dich selbst.«
»Gehen Sie auf keinen Fall noch einmal nach Pesaro!«, sagte Maria bestürzt, und ihre heisere, misshandelte Stimme klang wie ein rauhes Eisen, dem mit Gewalt Töne abgerungen wurden. »Die Contessa hasst Sie. Niemand hat ihr je gesagt, dass sie schlecht sei, ihr Schoßhündchen zu gut für sie, oder gar vor Dritten, dass sie auf Knien um Zärtlichkeit gebettelt habe – niemand hat das je gewagt. Das verwindet sie nicht.«
Calori stellte sich vor, wie Giacomo irgendwo in Pesaro verblutete, weil es niemanden außer sie kümmerte, ob er lebte oder starb.
»Wenn du noch in Pesaro wärst«, sagte sie zu Maria, »oder du, Mama, dann würdet ihr euch doch auch wünschen, dass ich euch helfe, ganz gleich, wie unvernünftig es ist. Versetzt euch doch mal in seine Lage.«
»In seiner Lage hätte ich meinen Pass nicht verloren«, murmelte Mama Lanti.
»Wenn ich noch in Pesaro wäre, dann wüssten Sie überhaupt nichts von mir, und selbst wenn, dann würden Sie mir nicht helfen, denn schließlich bin ich so gut wie eine Fremde«, entgegnete Maria. »Aber ich weiß schon, was Sie meinen. Deswegen kann ich Ihnen schwören, Madonna, wenn es jemanden gäbe, der mich liebt und den ich liebte, dann wünschte ich ihn tausend Meilen weg von Pesaro, ganz gleich, wie schlecht es mir ginge.«
Das waren genau die falschen Worte. Jetzt war Calori sicher, dass sie nach Pesaro gehen musste. Doch nicht alleine. In Gedanken legte sie sich Worte zurecht, um Baron Vais zu überzeugen, ihr zu helfen, den österreichischen Offizier; zumindest würde er wissen, wie man mit Offizieren der spanischen Garnison verhandelte. Ein Hauch schlechten Gewissens streifte sie, weil sie das, was er ihr erzählt hatte, bereits an Don Sancho weitergegeben hatte, um ihr Einverständnis zu bekunden, doch sie erstickte die Aufwallung. Giacomos Leben stand auf dem Spiel.
Sie war bereits dabei, einen entschuldigenden Brief an den Direktor zu schreiben, als Schritte auf der knarzenden Treppe zu ihrer Wohnung zu hören waren. Vertraute Schritte. Mama Lanti erkannte sie auch und öffnete mit einem breiten Lächeln die Tür.
»Ein Glück, dass du wieder da bist«, sagte sie zu Petronio. »Du musst mit deinem Br… mit deiner Schwester sprechen und ihr klarmachen, dass sie auf keinen Fall …«
»Warte einen Moment, Mama. Es gibt Neuigkeiten.«
Petronio streifte Maria mit einem kurzen neugierigen Blick, dann trat er zu Calori.
»Rate, wen ich gerade erst in den Straßen dieser Stadt gesehen habe«, erklärte er triumphierend, »nachdem die Postkutsche mich abgesetzt hatte und ich auf dem Weg hierher war.«
»Don Sancho?«, fragte sie hoffnungsvoll. Wenn Don Sancho hier war, dann brauchte sie den Baron Vais nicht. Don Sancho hatte garantiert genügend Einfluss innerhalb der spanischen Armee, um in Pesaro umgehend die Lage zu retten. Das musste so sein. Es musste.
Petronio schüttelte den Kopf, und beinahe wäre sie in Tränen ausgebrochen.
»Wen?«, erkundigte sie sich dann pflichtgemäß und mit erstorbener Hoffnung.
»Ach, niemanden. Nur einen nichtsnutzigen Kerl aus Venedig, der inzwischen noch nicht einmal mehr wie ein Abbate gekleidet ist«, sagte Petronio mit dem breitesten Grinsen der Welt.
Der österreichische Oberbefehlshaber von Rimini hatte Sinn für Humor und Scherze, besonders, wenn diese auf Kosten der spanischen Armee gemacht wurden. Giacomos Geschichte veranlasste ihn, sich vor Vergnügen auf die Schenkel zu schlagen. Was ihm jedoch fehlte, war die Bereitschaft, Venezianer ohne Pass in seinem Territorium zu dulden. Selbst wenn diese anboten,
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