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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Galle wider sie spie. Nicht nur, weil sie hier in Neapel Erfolg haben musste. Nein, sie wollte auch seine Stimme hören, jene so viel und weit gepriesene Stimme, deren Ruhm ebenso groß war wie der von Farinellis Stimme . Manchmal denke ich, dass man nie seinen Idolen begegnen sollte, hatte Appianino einmal zu ihr gesagt, aber Appianino selbst war ein Idol und ein guter Mann gewesen. Wenn Caffarellis Stimme und seine Gesangstechnik Händel inspiriert hatten, mussten sie wahrhaft herrlich sein, und sie wollte diese Stimme und Gesangstechnik hören und von ihr lernen.
    Aber sich im Hintergrund zu halten kam nicht in Frage. Nicht mehr. Nicht auf der Bühne. Die Kirche, die sie erspäht hatte, war eine kleine, dem heiligen Severus geweihte Kapelle, und einem Impuls folgend, ging sie hinein, um eine Kerze zu stiften.
    Bitte, dachte sie und wusste selbst nicht genau, um was sie eigentlich bat. Um einen Caffarelli, der entgegen allen Erwartungen großzügig und bereit war, andere neben sich glänzen zu lassen? Darum, dass er plötzlich von der überwältigenden Sehnsucht getrieben wurde, nach England zurückzukehren? Auf jeden Fall war es bei seinem Temperament für ihn bestimmt keine Schwierigkeit, den Herzog zu »bestrafen«, so dass es sie wunderte, warum der Herzog nicht einfach ein paar Nächte gewartet hatte.
    Am Ende betete sie für keinen dieser Wünsche. Stattdessen ertappte sie sich dabei, ein Gebet für Giacomo zu sprechen, wo immer er sich befand. Sie hoffte, dass er sich seine Idee mit der Uniform noch einmal überlegt hatte. Wenn die Spanier und Österreicher immer noch in Italien kämpfen wollten und er dann immer noch den Soldaten spielte, konnte es ihm geschehen, von der einen oder anderen Armee aufgegriffen und als Kanonenfutter verwendet zu werden. Warum hatte er sich nur darauf versteift, etwas so Leichtsinniges zu tun?
    Dann wieder stellte sie sich vor, was er zu all ihren Handlungen in den letzten Wochen sagen würde, und wusste, dass sie in einem Glashaus saß. Sie hoffte nur, dass dieses Glashaus ihren ersten Auftritt überlebte.

    Als sie im Palazzo des Herzogs das ihr zugewiesene Gemach aufsuchte, fand sie dort eine aufgeregte und sehr unglückliche Maria vor. Sie hatte von der Schneiderin gehört, dass die Contessa Giulia aus Pesaro, die eigentlich erst Ende Mai kommen sollte, bereits in Neapel eingetroffen war und zu der abendlichen Soiree des Herzogs erwartet wurde.
    Da ihr Don Sancho etwas dergleichen angedeutet hatte, kam das für Calori nicht ganz überraschend, aber eine willkommene Nachricht war es nicht. Sie hätte sich etwas mehr Zeit und vor allem ein gesichertes Leben in Neapel gewünscht, ehe sie erneut auf die Contessa traf. »Der Herzog wünscht, dass Sie heute Abend singen«, sagte Maria noch betreten. »Und ich habe gehört, dass der berühmte Caffarelli auch erwartet wird.«
    »Natürlich«, sagte Calori und sank auf das Bett. »Es regnet nie in meinem Leben, es schüttet immer.«
    »Ich, ich, Sie werden mich bei dem Empfang nicht brauchen, oder?«, stammelte Maria. »Ich bin wirklich dankbar für die Stelle bei Ihnen, aber – ich will sie nicht wiedersehen. Die Contessa. Bitte.«
    Ihre Blessuren waren mittlerweile verheilt, aber die roten Flecken, die auf ihren Wangen brannten, erweckten fast den Eindruck, als seien neue dazugekommen.
    »Du hast mir doch selbst gesagt, dass die Contessa bereits vergessen haben wird, dass es dich gibt«, entgegnete Calori, weil sie immer der Meinung gewesen war, dass eine vernünftige Feststellung beruhigender als ein ungenauer Trost wie »alles wird gut« war. Außerdem gab ihr das die Gelegenheit, so zu tun, als hämmere ihr eigenes Herz nicht bis zum Hals, weniger der Contessa als nun Caffarellis wegen. Einen anderen Menschen beruhigen zu müssen lenkte sie von ihren eigenen Sorgen ab.
    »Ich will sie aber nicht daran erinnern, wenn das nicht so ist«, sagte Maria mit flatternden Händen. »Und an Sie erinnert sie sich ganz gewiss!«
    »Nun, dass sie mir applaudieren wird, ist unwahrscheinlich. Mach dir keine Sorgen, du kannst dich auch hier aufhalten, oder wo immer du möchtest, bis der Empfang vorbei ist.«
    »Ich verstehe nicht, wie Sie so ruhig sein können«, sagte Maria, die nun wieder etwas ruhiger zu werden schien.
    »Improvisation und Schauspielerei«, gab Calori zurück und barg das Gesicht in den Händen, wie um ein Lachen zu verbergen, obwohl ihr eher nach Schreien zumute war. Wenn Petronio zurückkehrte, musste sie ihn fragen, ob

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