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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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er schon einen der hiesigen Weine gekostet hatte. Sowohl Appianino als auch Melani hatten sie davor gewarnt, zu trinken, da es Sängern die Stimme rauben konnte, aber gewiss gab es einmal eine Entschuldigung dafür, sich einem Rausch zu überlassen? In dem Zustand hätte sie außerdem eine Ausrede, um gar nicht erst zu diesem Empfang erscheinen zu müssen.
    Doch sie musste bei sich die gleiche Vernunft anwenden, wie sie das bei Maria getan hatte. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass die Contessa ihretwegen in Neapel war. Wenn sie immer noch darauf aus war, sich mit einem Kastraten zu schmücken, dann lag es nahe, in Caffarelli den Grund ihrer Anwesenheit zu vermuten. Niemand würde über die Contessa spotten, weil sie auf eine Frau in Männerkleidern hereingefallen war, was bisher ohnehin nur der Marchese del Colle wusste, wenn sie einen der beiden berühmtesten Kastraten Europas zu ihrem Liebhaber machte. Caloris Anwesenheit würde für Donna Giulia zwar nicht willkommen sein, aber gewiss würde sie ihre gesamte Aufmerksamkeit Caffarelli schenken. Mit etwas Glück würden die beiden sich gegenseitig beschäftigen, obwohl das, was Giacomo ihr von den Geschichten über die Rachsucht der Contessa in Pesaro erzählt hatte, gar von dem Geld, das, wie er von Bepe erfahren hatte, für seine Ermordung geboten worden war, nicht geklungen hatte, als ob die Contessa je eine Gelegenheit zur Bösartigkeit ausließe.
    Mit etwas Pech würde die Contessa schlussfolgern, Caffarelli eine kleine Aufmerksamkeit zu verehren, wie das Katzen gelegentlich mit erlegten Mäusen taten, wäre genau die richtige Art und Weise, um sich bei ihm einzuschmeicheln, und was war besser dafür als eine Sängerin, die er nicht billigte?
    Sie brauchte keinen Rausch. Sie konnte einfach Krankheit vorschützen und sich heute Abend in diesem Raum verstecken, wie Maria.
    Aber erstens würde das ihre Schwierigkeiten nur aufschieben, nicht aufheben, zweitens würde der Herzog zweifellos früher oder später erraten, dass sie sich aus Angst zurückgezogen hatte, und das konnte sie seine Patronage kosten, und drittens konnte es sehr wohl sein, dass auch Caffarelli zu Ohren kommen würde, dass sie ihrer ersten Begegnung mit ihm ausgewichen war.
    Calori hatte nie gejagt. Das stand nur dem Adel zu. Aber sie wusste, dass man einen angriffslustigen Wolf kein Blut riechen lassen durfte. Und genau das wollte sie nicht.
    »Maria«, sagte sie, »heute Abend muss ich überwältigend aussehen.«
    Maria fuhr sich mit der Hand über die Nase und wurde unversehens zu dem unauffälligen Mädchen, das sie in der Kutsche gewesen war.
    »Ich habe die Kleider aufgehängt«, sagte sie, »aber noch nicht bügeln können. Das rote ist das einzige nicht verknitterte Kleid, das gleichzeitig elegant ist, Ihre Figur betont und genügend Haut zeigt. Es sei denn, Sie möchten einen Überrock und Hosen tragen?«
    Calori schüttelte den Kopf. »Nicht heute. Heute Abend ist es wichtig, dass ich auf keinen Fall einem Kastraten gleiche.«
    Caffarelli hatte wie die meisten Kastraten seine Karriere in Frauenrollen begonnen, doch in seinem Fall war er darin so überzeugend gewesen, dass er Rom, den Ort seiner ersten Triumphe, verlassen musste, weil ihm dort niemand eine Heldenrolle mehr glaubte. Für die Römer blieb er eine Frau, weil sie ihn in Frauenrollen so sehr liebten, und Melani, der ihr diese Geschichte erzählt hatte, sagte, deswegen sei Caffarelli schließlich nicht mehr nach Rom zurückgekehrt und habe nie wieder eine Frauenrolle gespielt.
    Als Bellino, in Hosen, würde sie nur wie ein jugendliches Imitat eines Meisters erscheinen. Aber La Calori war eine Frau und damit etwas, das Caffarelli nicht mehr wagte zu sein. Es würde auf ihn ankommen, wie er es aufnahm. Als Versprechen, nicht sein Territorium zu betreten, oder als Herausforderung. Auf jeden Fall würde er sie nicht für feige halten, und der Herzog erst recht nicht. Was die Contessa betraf …
    »Maria«, sagte Calori, »wenn Donna Giulia nicht beschlossen hat, mich einfach aus ihrem Gedächtnis zu streichen, was glaubst du, wird sie tun, wenn sie mich entdeckt?«
    Der Herzog und Don Sancho mit ihren Aussagen zu den Giftmischern in den südlichen Landesteilen hatten ihr wohl mehr zugesetzt, als sie es für möglich gehalten hatte, denn sie fügte hinzu: »Hat sie schon einmal jemanden vergiftet?«
    »Nur ihresgleichen«, entgegnete Maria prompt und ohne mit der Wimper zu zucken, »und das sind Sie nicht. Aber sie könnte

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