Verfuehrung
eingeführt worden zu sein. Also zog er ein geheimnisvolles Gesicht und verkündete, derselbe Grundsatz, der ihm nicht erlaube zu lügen, verbiete ihm, in diesem Punkt die Wahrheit zu sagen. Erfreulicherweise zogen die Schwestern daraus den Schluss, er habe schon so viele Frauen beglückt, dass er sie gar nicht alle aufzählen konnte, und wirkten entsprechend beeindruckt, während sie ihm ihre eigenen Wünsche offenbarten. Nannetta wollte irgendwann einen Grafen heiraten, und da Ehemänner nur auf die Geliebten ihrer Geliebten eifersüchtig waren, nicht auf die ihrer Ehefrauen, wollte sie mit ihm alles lernen, was nötig war, um eine gute Geliebte zu werden. Martina hatte das Ziel, zunächst Nonne und dann einmal Äbtissin zu werden, da Nonnen, im Gegensatz zu den Kurtisanen, die hohe Steuerabgaben leisten mussten, zumindest in venezianischen Klöstern kaum überwacht wurden und ihren Liebesabenteuern steuerlos und frei nachgehen konnten. Beide betrachteten die gemeinsamen Schritte in die Welt der Erwachsenen als gute Grundlage für ihre Lebensträume. In Giacomo sahen sie jemanden, der genauso viel zu verlieren hatte wie sie und sie daher nicht an ihren Onkel verraten konnte.
Bei ihrem ersten Zusammensein hatte es ihn überrascht, dass die beiden Schwestern nicht eifersüchtig aufeinander waren. Er wusste, dass er niemals in der Lage wäre, ein Mädchen mit seinem Bruder Francesco zu teilen, oder mit Giovanni, von dem Quengler Gaetano ganz zu schweigen, deswegen erfüllte ihn diese geschwisterliche Solidarität mit einer gleichzeitig dankbaren und neidischen Verwunderung. Während er von einer zur anderen wechselte, hatten sie sich zu Anfang bei den Liebesspielen mit ihm nicht angeschaut. Je öfter sie aber die Stunden miteinander teilten, die sie eigentlich für die Übungen mit ihren Musikinstrumenten hätten nutzen sollen, änderte sich ihr Verhalten von Mal zu Mal, und bald nutzten sie die natürlichen Pausen, die er brauchte, um sich gegenseitig Aufmerksamkeiten zu schenken.
Sie hatten ihn anfänglich lediglich gebeten, das Zeichen seines Triumphes in einem Taschentuch aufzufangen, denn keine von beiden wollte eine Schwangerschaft riskieren. Nachdem er ihnen Bettinas Lösung beschrieben hatte, der sie gerne huldigten, hatten sie wohl bei ihren Freundinnen weitere Erkundigungen eingezogen und ihn dann auf einen weiteren Eingang verwiesen, der ihre Ehre schützte. Wäre es nach ihm gegangen, hätte dieses Arrangement ewig währen können. Es war jede herablassende, missbilligende Lektion durch Don Tosello wert, und sogar, gelegentlich durch den Abbate Grimani höchstselbst zusammengestaucht zu werden, wenn sein nomineller Vormund sich dazu herabließ, Giacomos Fortschritte sehen zu wollen.
Hin und wieder fragte er sich, ob der Abbate Grimani mehr als sein Vater in Christo war. Sein Onkel, beispielsweise. Er kannte den Klatsch über seine Mutter und den Senator Michele Grimani, den Bruder des Abbate. Nur wies besagter Klatsch bedauerlicherweise auf seinen jüngsten Bruder, das brüllende Balg Gaetano, oder höchstens noch auf seinen Bruder Giovanni als dessen Sprössling hin, die beide nicht nach dem Aussehen des Vaters gekommen waren, aber auch nicht der Mutter glichen, so wie er. Aber das durfte nicht sein. Wenn jemand es verdient hatte, einer der vornehmsten Familien Venedigs zu entspringen, die nicht weniger als drei Dogen gestellt hatte, dann Giacomo. Aber eigentlich wollte er auch das nicht. Sein gesetzlicher Vater war ein freundlicher Mann gewesen, der sich mehr Zeit für seine Kinder genommen hatte, als Nannetta es je getan hatte. Von ihm stammte auch der Spruch: »Edel sein ist immer mehr, als adlig sein von Eltern her«, was Giacomo bisher immer wieder von seinen Zweifeln abgebracht hatte. Trotzdem, es war schwer, sich nicht hin und wieder gewisse Fragen zu stellen.
Wenn er nicht ein von Grund auf optimistischer Mensch gewesen wäre, hätte die Nachricht, die Nannetta brachte, ihn bewogen, Venedig fluchtartig zu verlassen. Angela, die jüngere Schwester der beiden, hatte Don Tosello von den Sünden ihrer Schwestern berichtet, die ihr gegenüber nicht verschwiegen genug gewesen waren. Giacomo fand das ausgesprochen hinterhältig von Angela, erst ihn abblitzen zu lassen und dann ihren Schwestern die Liebesfreuden nicht zu gönnen. Aber er konnte es sich nicht leisten, empört zu sein, nicht, wenn Don Tosello das Ohr des Abbate Grimani hatte und der wiederum Giacomos Unterhalt bezahlte. Zum Glück
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