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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wussten sie beide. Nun, dachte Giacomo, ich würde ihm regelmäßig Almosen geben, wenn er ein Bettler wäre und ich ein Senator. Das auf jeden Fall.
    Vorerst war er allerdings nur ein kleiner Abbate, der sich weigerte, sich wie ein solcher zu kleiden. Der Priester, Don Tosello, der von Abbate Grimani beauftragt worden war, Giacomo ein geistlicher Betreuer zu sein, tadelte ihn täglich mehr. Besonders, seit Don Tosello wusste, dass zwei seiner drei Nichten, welche das Ospedale della Pietà besuchten, sich schön machten, wenn sie hörten, Giacomo würde für eine weitere geistliche Lektion erwartet.
    »Ist das Pomade in Ihren Haaren? Sie werden noch exkommuniziert werden, wenn Sie so weitermachen, mein Sohn! Clericus qui nutrit comam, anathema sit! «
    »Wenn der Geistliche, der sein Haar pflegt, verdammt ist«, wiederholte Giacomo unbeeindruckt das lateinische Sprichwort in der venezianischen Mundart, »dann hat das niemand unserem Freund, dem hochwürdigen Abbate Grimani, verraten. Der gebraucht nämlich viermal so viel Pomade und Puder, wie ich es tue. Und mein Lehrer in Padua, auch ein Abbate, Dottore Gozzi, ist ein Freund des Moschus, während ich nur Jasmin verwende, was viel billiger ist und die Kirche daher nicht so viel kostet.«
    »Hier geht es nicht um einen Disput«, grollte der Priester, ohne auf Giacomos Argumente einzugehen. »Ich will keine Geiststreicheleien hören, sondern Gehorsam sehen! Benehmen Sie sich fortan, wie es einem Mann Gottes gebührt. Als Ihr Vater in Christo befehle ich es Ihnen!«
    Giacomo verbeugte sich, doch als die Augen des Mannes bereits triumphierend aufleuchteten, erklärte er mit gespielter Demut: »Wenn ich in Schmutz und Unsauberkeit leben wollte, wäre ich Kapuziner geworden und kein Abbate. Deswegen muss ich meiner Berufung und all den guten Beispielen folgen, die andere Väter in Christo mir geben!«
    Je mehr Don Tosello ihn gereizt hatte, umso häufiger war er zum Ospedale gegangen, dem Haus, wo der große Vivaldi noch im letzten Jahr gelehrt hatte. Das Ospedale war wie ähnliche andere Institutionen in Venedig vor hundert Jahren als ein Heim für Waisen und Findelkinder gestiftet worden. Zwischenzeitlich diente es aber mehr dazu, den unehelichen Kindern reicher Bürger und der Verwandtschaft von Priestern eine Ausbildung zu geben. Der wichtigste Teil dabei war Musik. Aber auch ein Genie wie Vivaldi hatte nicht verhindern können, dass dieses Heim bei den Aufführungen zu einem Ziel aller Lüstlinge der Stadt wurde. Die etwa vierzig jungen Mädchen, welche Orgeln, Flöten, Celli und Geigen in einem weißen Kleid, ähnlich dem von Nonnen, spielten, boten mit ihren kleinen Blumensträußchen hinter den Ohren dabei einen wahrhaft ergötzlichen Anblick.
    Angela, Nannetta und Martina, die Nichten des Pfarrers Tosello, gehörten zu dieser Gemeinschaft halbreifer, reifer und überreifer Mädchen, die ihre Geheimnisse miteinander teilten, aber alle um eines, ihre Zukunft in der Stadt, kämpften. Angela, für die sich Giacomo zuerst interessierte, tat das, indem sie sich von allem und jedem abschirmte. Sie ignorierte ihn, ganz gleich, was er tat, und er musste die Erfahrung machen, dass ein Mädchen manchmal wirklich »nein« meinte, wenn es »nein« sagte. Es war eine bittere Lehre, und er nahm sich vor, sich künftig von wirklich spröden Frauen fernzuhalten. Das war Zeitverschwendung. Ihre älteren Schwestern dagegen waren zum Glück anders. Völlig anders!
    Sein Zusammenleben mit anderen Jungen in Padua war entschieden langweiliger gewesen als das, was Nannetta und Martina von ihrer Schule erzählten. Offenbar lernten die Mädchen so viele Köstlichkeiten voneinander, so viel über ihre Körper, dass es ihren zukünftigen Liebhabern an nichts fehlen würde. Überdies konnten sie durch ihre Musik und den Unterricht, den man ihnen zuteilwerden ließ, selbst bei den Standhaften mit ihrer Redefähigkeit, ihren Stimmen und ihren Instrumenten Entzücken hervorrufen.
    Giacomo, der Musik über alles liebte und den zuerst die Möglichkeit, dort mehr als einem Sinn Genugtuung zu verschaffen, in das Ospedale geführt hatte, war von dem Pragmatismus der beiden Mädchen überrascht und beeindruckt. Martina erklärte ihm die Ziele der Schwestern und fragte geradeheraus, mit wie vielen Frauen er schon das Bett geteilt habe, weil es ihnen um gute Weisung ginge. Nur ein Narr hätte daraufhin zugegeben, lediglich von einem einzigen Mädchen, und das nur unvollständig, in die Liebe

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