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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Außerdem war sie wirklich neugierig, wie Casanova reagieren würde, während der Anblick von ihm und ihren Schwestern keinerlei Überraschungen bergen konnte. Vielleicht hatte die Faszination, die sie auf einmal ergriff, aber auch einen ganz anderen Grund. Der Venezianer war vielleicht ein Lügner und viel zu sehr von sich selbst überzeugt, aber er war kein übergewichtiger Advokat, der Petronio ein paar Münzen in die Hand drückte, sondern, das musste sie zugeben, sah wirklich gut aus. Auf einmal verstand sie, warum ihr ein paar der Tänzerinnen, die auf den gleichen Karnevalsveranstaltungen wie sie gewesen waren, erzählt hatten, dass manche Männer zwei Frauen dafür bezahlten, miteinander vor ihren Augen das Bett zu teilen. Zwei gutaussehende Männer zusammen, der Anblick hätte sie …
    Der Kuss dauerte nicht lang. Der Venezianer zog sich zurück und sagte kopfschüttelnd: »Mein Freund, das ist nicht nötig. Ich weiß die Absicht zu würdigen, aber ich habe die Neigungen nicht, die Sie bei mir vermuten, und kann sie daher auch nicht genießen.«
    »So ist das Leben«, sagte Petronio philosophisch, zwinkerte Bellino zu und empfahl sich. Cecilia und Marina kicherten und stupsten einander an.
    »Sie haben die Neigungen nicht?«, fragte Bellino mit hochgezogenen Augenbrauen, während sie ihre Kaffeetasse von ihm entgegennahm.
    »Ganz und gar nicht. Was meinen Sie, warum ich Rom verlassen musste? Als Mann, der Männer liebt, ist man dort entschieden im Vorteil, doch ich mag keine Spiele, bei denen fast alle anderen besser dastehen als ich.«
    Das brachte ihm erneut das Gekichere von Cecilia und Marina ein, doch Bellino dachte ganz plötzlich: Warte nur. In diesem Moment entschied sie, ihn in sich verliebt zu machen, und zwar nicht in sie als eine Frau, sondern in sie als einen Mann. Er war so selbstsicher, so überzeugt von seiner Wirkung auf andere, dass er es einfach verdiente, einmal in seinen Überzeugungen erschüttert zu werden. Sie begab sich damit in Gefahr, entdeckt zu werden, aber sie hatte ja nicht die Absicht, ihn zu erhören. Nein, sie würde ihn dazu bekommen, einzugestehen, dass er einen Mann begehrte, und nicht nur einen Mann, sondern einen Mann, auf den andere Männer, wenn sie nicht gerade seine Sangeskunst bewunderten, als verschnittenen Krüppel herabblickten: einen Kastraten.
    »Und ich dachte«, entgegnete sie und schlug ein Bein über das andere, »Sie haben in Rom so reüssiert, dass der Papst selbst Ihnen Sonderdispense gab und Kardinal – welcher war es noch gleich? – Ihnen geheime Missionen für den Vatikan nach Konstantinopel anvertraut. Das bekommt man doch nicht ohne irgendwelche Gegenleistungen, oder?«
    »Ausnahmen bestätigen die Regel«, sagte er ungerührt.
    »Sie meinen, Sie machen Ausnahmen?«, fragte sie unschuldig.
    »Ich bin die Ausnahme«, versetzte er und schenkte ihr etwas Kaffee nach. »Immer.«
    »Sie sehen mich zutiefst geknickt, Signore Abbate. Ich hatte gehofft, selbst die Ausnahme zu sein, von Ihrer Abneigung gegen Männer, aber ach, Ihre Neigungen sind eben gewöhnlicherer Art.« Sie stand auf. »Entschuldigen Sie mich. Es gibt heute Vormittag noch einige Dinge für mich zu erledigen, aber ich hoffe doch, dass Sie und Ihre Einzigartigkeit heute Mittag noch etwas Zeit für meine Familie und mich finden.«
    Die beiden Mädchen lauschten mit halb geöffneten Mündern, als handele es sich bei dem Gespräch zwischen Bellino und Casanova um eine weitere Gesangsdarbietung. »Marina«, fügte Bellino hinzu, »ich brauche deine Hilfe beim Tragen.«
    Sehr unwillig rappelte sich Marina auf. »Aber …«
    »Wir sehen uns alle beim Mittagessen«, verkündete Bellino in ihrem besten deklamatorischen Stil, der für persische Könige, die jemanden ins Exil schickten, geübt worden war, und führte Marina aus dem Zimmer hinaus, höchst zufrieden, dass der Venezianer um eine Entgegnung verlegen gewesen war.
    »Du bist gemein«, sagte Marina zu ihr, während sie die Treppe zu Bellinos Zimmer ein Stockwerk tiefer gingen. »Und geizig. Lass uns alle doch etwas an dem Abbate verdienen. Mama sagt, so wie der mit dem Geld um sich wirft, muss er viel davon haben.«
    »Das glaube ich so sehr, wie ich an seine geheime Mission nach Konstantinopel glaube«, sagte Bellino bestimmt und sperrte ihr Zimmer auf. »Außerdem brauche ich dich wirklich zum Tragen. Wir müssen zwei von meinen Kostümen verkaufen, um hier ohne Schulden abreisen zu können. Hast du das vergessen?«
    »Aber Don

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