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Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Titel: Verführung auf Burg Kells (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Landon
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von seinen Bitten, zu ihr ins Bett zu schlüpfen, erweichen lassen.
    Auf Zehenspitzen huschte Ebony zum offenen Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Tief unten im Tal konnte sie den dunklen See erkennen, dahinter die schwarze Silhouette des Waldes am anderen Ufer. Die gezackten Berggipfel zeichneten sich gegen den klaren Sternenhimmel ab. Er hatte sich geirrt, die Nacht war nicht mondlos. Die silberne Sichel hing schräg im Himmelszelt, zu schwach, um Licht zu spenden, aber ein winziger Hoffnungsschimmer, an den sie sich klammerte.
    Es fiel ihr in vieler Hinsicht schwer, die Burg zu verlassen, die so viele Jahre ihr Heim gewesen war, obwohl Trauer ihre Ängste nicht wirklich beschrieb, die sie sich erst jetzt eingestehen durfte, ohne vor anderen die Tapfere spielen zu müssen. Sir Joseph hatte ihr und ihrem Sohn ein Dach über dem Kopf gegeben, sie vor Hunger und Not bewahrt in den schrecklichen Jahren der Hungersnöte, unter denen auch andere Länder zu leiden hatten. Bislang hatte sie den durchreisenden Kaufleuten keine große Aufmerksamkeit geschenkt, die von Missernten, Überschwemmungen und ertrunkenem Vieh berichteten, von hungernden Bauern, die sich von Ratten, streunenden Kötern und Gras ernährten, von Seuchen, die ganze Viehbestände dahinrafften. Salz wurde mit Gold aufgewogen, es gab keine Wolle mehr, Märkte wurden nicht mehr abgehalten, Überschwemmungen hatten Straßen und Brücken zerstört. Sie war zu sehr mit ihrer Trauer um ihren schmerzlichen Verlust beschäftigt gewesen, mit den Sorgen um ihren verängstigten kleinen Sohn, mit ihrer tiefen Verzweiflung. Wer könnte mehr verloren haben als sie?
    Sir Josephs Vorratskammern waren wohl gefüllt, in seinen Kellern lagerten Fässer mit edlen Weinen, er war vermögend und herrschte auf einer großen, wehrhaften Burg hoch über den überschwemmten Tälern. Seine Felder und Weiden lagen geschützt zwischen bewaldeten Hängen, wo seine kostbaren Herden reinrassiger Galloway-Ponys grasten. Er unterhielt Geschäftsbeziehungen mit Händlern in allen wichtigen Städten und Häfen. Im Übrigen unternahm er Raubzüge wie andere Gutsherren auch.
    Das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Ein Lord, der sich ständig durch Plünderungen bereicherte, war zwangsläufig ein rücksichtsloser, grausamer Mann ohne eine Spur Mitgefühl für andere. Diese Charakterzüge trafen auf Sir Joseph Moffat zu. Sein Name verbreitete Angst und Schrecken, seine Grausamkeit war im ganzen Land bekannt, und Ebony war immer in Sorge um ihr Kind. Die einzigen Menschen, die ihn nicht fürchteten, war Robert gewesen und Meg und vielleicht noch sein Neffe. Nun war Sir Joseph schwer verletzt ans Krankenbett gefesselt, und Ebonys Befürchtungen richteten sich auf einen anderen, gewiss ebenso grausamen, herzlosen Mann.
    Sie hätte ihr eingesperrtes Dasein auf Castle Kells leichter ertragen, wäre Sir Joseph kein so furchtbarer Tyrann gewesen, der nur für seine Raffgier lebte und jeden rücksichtslos vernichtete, der sich ihm in den Weg stellte. Sie war sorgsam darauf bedacht, dass Sam seinem Großvater nicht nacheiferte, aber es war nicht leicht, den sechsjährigen Knaben von ihm fern zu halten, da der Kleine seinen Schauergeschichten gebannt lauschte, von denen Sir Joseph in seiner abartigen Denkweise glaubte, sie würden einen ganzen Mann aus ihm machen. Natürlich war er nie da, um Sam zu beruhigen, ihm heiße Milch mit Honig oder einen Schlaftrunk einzuflößen, wenn er nachts schweißgebadet und schreiend aus seinen Albträumen aufschreckte. Und schon gar nicht kümmerte er sich darum, geistige Interessen in dem Knaben zu wecken. Dafür seien die Frauen zuständig, lautete seine Devise.
    Wie oft hatte sie sich danach gesehnt, diesem Leben in Galloway zu entkommen, Sir Josephs Grobheiten, seinen gotteslästerlichen Flüchen und unerträglich schlechten Manieren und nicht zuletzt seinen raubeinigen, trunksüchtigen Freunden, die bei ihren Besuchen stets länger blieben als erwünscht. Ebony hatte immer wieder gebeten, fortgehen zu dürfen, und war schroff abgewiesen worden. Wohin wollte sie denn gehen? Ihre Mutter Lady Jean Nevillestowe war im gleichen Jahr, in dem Sir Josephs Gemahlin verstarb, spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Damals hatten schottische Banditen ihr schönes Haus in Carlisle überfallen, die Dienerschaft getötet, alles gestohlen, was sie fortschleppen konnten, und die Hausherrin entführt. Seither waren widersprüchliche Gerüchte über die tragischen

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