Verführung auf Burg Kells (German Edition)
außen gefasst sein. Inzwischen überbringe ich der Mutter des neuen Burgherrn die traurige Botschaft. Gestern Nacht schlief sie bereits.“
Belustigt zog Hugh die Brauen hoch. „Sieh mal einer an. Der Kleine bleibt also in der Obhut seiner Mutter. Wenn ich mich nicht irre, werden hier demnächst einige Herren Schlange stehen und um die Hand der schönen Witwe anhalten, um in den Besitz der Burg und der Ländereien und sonstiger Vermögenswerte zu gelangen, bevor der kleine Sam volljährig ist.“
„Ja, damit ist zu rechnen.“
„Und wo stehst du, mein Freund?“
„Ich stehe ganz weit vorne in der Schlange.“
„Tatsächlich“, feixte Hugh. „So weit vorn?“
„Vielleicht noch weiter vorn.“ Er versetzte Hugh einen freundschaftlichen Stoß. „Nun mach, dass du fortkommst.“
Unter der Tür drehte Hugh sich noch einmal um. „Noch eine Frage. Wann sagen wir den Frauen die Wahrheit?“
Alex lehnte die Hüfte gegen den Tisch, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sinnend seine Stiefelspitzen. „Wir können sie nicht länger im Ungewissen lassen, da sie bereits Verdacht schöpfen, der sich noch verstärken wird. Welche Räuber nehmen schon an der Beisetzung des Burgherrn teil, den sie überfallen haben? Ich werde Lady Ebony bei nächster Gelegenheit die Wahrheit sagen. Und dir überlasse ich es, Mistress Meg davon zu unterrichten.“
„Wie reizend von dir. Vielen Dank. Kann ich mir deine Rüstung ausborgen?“
„Bedaure. Die brauche ich selbst.“ Schmunzelnd begaben die Freunde sich in die große Halle, die aus einem unerfindlichen Grund Sommerhalle genannt wurde.
Auf dem Bettrand sitzend, hörte Lady Ebony nur mit halbem Ohr auf Sams und Biddies plappernde Stimmen, da ihre Aufmerksamkeit dem umgedrehten Kopfkissen galt, unter dem ihr Dolch lag. Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, der Atem stockte ihr, sie versuchte, Fakten von Trugbildern zu trennen, die nicht verschwinden wollten. Die Matratze neben ihr
hatte
sich wärmer angefühlt als sonst. Im zweiten Kopfkissen
war
ein deutlicher Abdruck. Der Dolch
lag
anders herum unter dem Kissen, nicht so, wie sie ihn bereitgelegt hatte. Als sie nach dem Heft greifen wollte, hätte sie sich beinahe in die Hand geschnitten. Sie
hatte
einen lebhaften Traum gehabt von Robbie, der neben ihr lag, die Arme um sie geschlungen, sie hatte seine Lippen an ihrer Stirn gespürt. Überwältigend deutlich und lebhaft. Sie hatte ihre Schenkel an ihn gepresst. Ihr war, als spüre sie noch immer prickelnd seine behaarte warme Haut. „Gütiger Herr im Himmel!“ flüsterte sie tonlos.
„Was ist, Mama? Sprichst du dein Morgengebet?“ Sam hüpfte zu ihr, seine weiten Hosen flatterten um seine dünnen Beinchen. „Sieh nur, die Blumen lassen die Köpfchen hängen. Soll ich sie ins Wasser stellen?“
Bestürzt hob sie den Kopf und entdeckte den Weißdornzweig, der im gerafften Bettvorhang steckte. „Biddie, hast du den Zweig wieder an den Vorhang gesteckt?“
Das Kindermädchen stopfte Sam das Hemd in den Hosenbund. „Höchste Zeit, dass du lernst, dich alleine anzuziehen, kleiner Mann. Was? Der Weißdorn? Nein, der lag doch gestern auf dem Stuhl.“
Wie erstarrt saß Ebony da, die Finger ins Laken gekrallt. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, Schwindel drohte sie zu übermannen. Sie sträubte sich mit allen Sinnen dagegen, sich der furchtbaren Wahrheit zu stellen, legte einen Bann des Schweigens um die schmachvolle Vorstellung, ihr Traum könnte gar kein Traum gewesen sein. Nein, sie wollte und konnte sich nicht eingestehen, ihr verräterisches Verlangen habe ihr nur vorgegaukelt, in Robbies Armen gelegen zu haben. Nein. Sie hatte nie einen anderen Mann begehrt als Robbie und würde keinen anderen begehren.
Niemals.
Noch während sie mit klammen Fingern ein Band in ihren dicken schwarzen Zopf flocht, drehte sich der Schlüssel geräuschvoll im Schloss. Kurz darauf klopfte es, und die Tür wurde geöffnet.
„Aber Sir Alex“, sagte Biddie, „meine Herrin ist noch nicht mit der Morgentoilette fertig.“
Sam empfing den Gast freundlicher und scheute sich nicht, seiner Kinderfrau zu widersprechen. „Mama frisiert sich nur“, meinte er und fügte altklug hinzu: „Aber sie empfängt keine Männer in ihrem Schlafzimmer, nur Master Morner und den Vogt. Darf ich fragen, was Ihr wünscht?“
Alex verkniff sich ein Schmunzeln und blieb höflich an der Tür stehen. „Vergebung, Lord of Kells“, sagte er förmlich. „Ich komme in einer
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