Verführung auf Burg Kells (German Edition)
Freien am Ufer des Flusses Urr aufschlugen. Bald hatten sie das raue Bergland hinter sich gelassen, ritten streckenweise durch dichte Wälder, und Ebony stellte staunend fest, mit welcher Selbstverständlichkeit die Soldaten sich in der Natur bewegten, im Handumdrehen ein Zeltlager aufschlugen, ein Lagerfeuer entfachten, Nahrung beschafften, ohne eine einzige Anweisung von ihrem Anführer. Sie saß am Feuer, biss herzhaft in einen gebratenen Hasenschlegel, dazu gab es Käse und Brot, und bei Einbruch der Dunkelheit sank sie erschöpft auf eine Decke über einem Polster aus Heidekraut unter einem Zeltdach. Sie war zu müde, um darauf zu achten, dass die stacheligen Zweige des Heidekrauts durch die Decke stachen.
Als sie erwachte, standen ein paar Männer knietief im Wasser des Flüsschens, wuschen sich halb nackt, schabten sich die Bärte ab, andere zogen sich die Stiefel an, rollten ihre Decken zusammen, stärkten sich mit Brot und Bier, bissen herzhaft in saftige Äpfel, kauten mit vollen Backen Nüsse und Speckscheiben. Alex, der ihr das Frühmahl brachte, hatte einen Plan, dem sie, wie er sagte, zustimmen müsse.
Sie hatte sich zwar tags zuvor einen eigenen Plan zurechtgelegt, aber es wäre sinnlos gewesen, ihm davon zu berichten.
„Ihr reitet mit einem Pferdeknecht nach Dumfries“, erklärte er. „Wir ziehen uns etwa zwei Meilen vor der Stadt zurück, damit niemand Verdacht schöpft, folgen Euch aber auf einem anderen Weg und umstellen das Haus der Cairns. Euch droht keine echte Gefahr. Ich habe eine ungefähre Vorstellung, was man Euch vorschlagen wird, macht Euch also keine Sorgen und lasst Euch auf keine der Forderungen ein, die sie vermutlich stellen werden. Euer Begleiter heißt Perkin; er sieht zwar aus wie ein Einfaltspinsel, aber er hat es faustdick hinter den Ohren, glaubt mir. Er bleibt bei den Pferden und dem Gepäck und lässt uns wissen, was passiert. Ihr könnt ihm voll vertrauen.“
„Und Ihr?“
„Mir könnt Ihr auch vertrauen.“
„Das meine ich nicht.“
Sein verwegenes Lächeln ließ sie die bevorstehenden Aufregungen für einen kurzen Moment vergessen, und sie konnte den Blick nicht von seinen markanten Gesichtszügen wenden, von seinem Kinn, das rosig glänzte vom Rasieren. Wie nahe hatte er letzte Nacht bei ihr gelegen? Was verbarg er hinter seinen durchdringenden blauen Augen?
„Wie dem auch sei, Mylady, Ihr könnt mir vertrauen. Sie wollen Euch in eine Falle locken, glaubt mir. Fühlt Ihr Euch stark genug, mit der Situation umzugehen? Wenn Ihr Bedenken habt, solltet Ihr sie mir jetzt sagen.“
Ebony versicherte ihm leichthin, dass sie die Situation meistern würde, und fragte sich, ob sein scharfer Blick erkannte, dass ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrer Mutter jeden Gedanken an Gefahr verwarf. „Sollten die Cairns mir wider Erwarten keine Auskunft über den Verbleib meiner Mutter geben können, gehe ich einfach“, sagte sie und leckte sich den Bratensaft von den Fingern.
Seine Stimme klang argwöhnisch. „Nun ja. In diesem Fall geht Ihr mit Perkin. Er weiß, was zu tun ist.“
Der junge Pferdeknecht, der ihr kaum Beachtung schenkte, trug das Wams mit der Innenseite nach außen, um das königliche Wappen zu verbergen, und Ebony war beeindruckt von seiner kraftvollen Gestalt und von der plötzlichen Verwandlung eines Edelknappen in einen gewöhnlichen Pferdeknecht. Er hatte den Helm abgelegt, seine Waffen waren versteckt, aber seine Hände wirkten beruhigend kraftvoll, als er sie in den Sattel hob, die Falten ihres Umhangs über ihren Beinen und der Kruppe des Pferdes ordnete und danach Zaumzeug und Satteltaschen prüfte.
Bei Sir Alex’ letzten Anweisungen vor den Toren der Stadt nickte sie ernsthaft, und als er ihr die Hand zum Abschied reichte, wusste sie, dass sein anhaltender Händedruck mehr bedeutete als alle gesprochenen Worte. Sie erwiderte den Druck und hatte plötzlich das Bedürfnis, ihn in Sicherheit zu wiegen. „Es wird alles gut gehen“, sagte sie. „Ich halte mich genau an Eure Anweisungen.“
„Seid vorsichtig. Reitet direkt zum Haus. Wir bleiben in der Nähe.“
Sie war viele Jahre nicht in Dumfries gewesen, das letzte Mal an Robbies Seite anlässlich eines Jahrmarkts. Schon damals hatte es erste Anzeichen der Hungersnot gegeben, die Preise waren hoch, es gab zu wenig Nahrung, importierte Güter fehlten völlig, da ganz Europa unter den Folgen von Naturkatastrophen, Dürren, Überschwemmungen und Missernten litt. Seit jener Zeit kam kein
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