Verfuehrung Auf Hoher See
Beerdigung kommt. Nach eurer Scheidung hat er nie mehr mit deinem Großvater gesprochen. Aber es war wohl gesellschaftlich korrekt.“
„Eher geschäftlich, würde ich sagen“, bemerkte Selina trocken. „Ich habe gerade mit Rion gesprochen. Alles ist bestens“, log sie. „Wir sind Freunde.“
„Das freut mich. Wie ich höre, ist seine Jacht heute Nacht hier eingelaufen. Der Gärtner hat von einem Matrosen erfahren, dass sie nach Ägypten unterwegs waren und hierhergerufen wurden. Offenbar lag Rion daran, an der Beerdigung deines Großvaters teilzunehmen, obwohl er ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Fast hatte ich gefürchtet, es gäbe dafür noch einen anderen Grund – er könnte dir erneut wehtun wollen.“
Zwei Tage vor dem Tod ihres Großvaters hatte Selina der getreuen Anna die Einzelheiten ihrer Skandalscheidung anvertraut. Die gute Seele glaubte ihrer Version der Dinge.
„Dazu wird er keine Gelegenheit haben.“ Selina stand auf. „Da die Beerdigung vorbei und alles abgewickelt ist, verlasse ich die Insel morgen früh. Am Abend fliege ich nach England zurück, um noch eine Woche mit Tante Peggy zu verbringen, ehe ich wieder arbeite. Und, Anna, du hast nichts zu befürchten, das verspreche ich dir. Du kannst in der Villa wohnen bleiben und hier wie gewohnt wirtschaften, bis du in den Ruhestand gehst. Mein Großvater hat gut für dich gesorgt.“ Das hatte der Alte ihr vor seinem Tod anvertraut. „Und jetzt muss ich mich wieder um die Gäste kümmern, die hoffentlich bald aufbrechen.“
„Ja, das solltest du wohl. Ich werde meine beiden Mädchen anweisen, die Erfrischungen etwas sparsamer herumzureichen. Das wirkt meistens“, setzte Anna augenzwinkernd hinzu.
Selina straffte sich und kehrte in den Salon zurück, der auf eine weitläufige Terrasse mit Blick über die Bucht hinausführte. Ein Großteil der Gäste hatte sich inzwischen dort eingefunden.
Sie entdeckte Rion sofort, weil er alle überragte. Im Moment sprach er mit zwei Männern – sicher über Geschäftliches. Wann immer sie ihn begleitet hatte, war es um nichts anderes gegangen.
Während sie ihn beobachtete, gesellte sich ein grauhaariger Herr zu der Gruppe. Er sagte etwas zu Rion, der daraufhin schallend lachte, sodass seine weißen Zähne aufblitzten und das schwarze Haar im Sonnenschein schimmerte.
Ein Schauer überlief Selina. Was sie auch von Rion halten mochte, er war ein atemberaubender Mann. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
Unerwartet tauchte Lydia bei ihm auf und küsste ihn auf die Wange.
Selina erstarrte. Gut, dass sie daran erinnert wurde! Wieso war ihr nicht aufgefallen, dass Lydia zur Beerdigung erschienen war? Und der Mann an ihrer Seite musste der ewig kränkelnde Gatte sein.
Armer Kerl, dachte Selina. In diesem Moment blickte Rion zu ihr herüber. Kühl hielt sie seinem Blick stand, als er ihr zuprostete.
Gespielt gleichmütig wandte sie sich dann ab und kehrte ins Haus zurück.
Von Rion war sie seit Jahren kuriert. Was sie soeben mit angesehen hatte, bewies, dass er ihr nichts mehr bedeutete. Locker schlenderte sie zum Besitzer der Dorfschänke und den anderen Einheimischen hinüber.
Eine Stunde später begannen die Gäste unter dem Lärm der Hubschrauberrotoren aufzubrechen.
Selina hörte sich salbungsvolle Reden an und lächelte, bis ihr die Gesichtszüge gefroren. Bald waren nur noch Kadiekis und einige Dorfbewohner da, die mit Anna und ihren Töchtern plauderten.
„Ach, du bist noch hier?“ Selina gab sich erstaunt, als Rion vor ihr stehen blieb. Sie hatte angenommen, er wäre längst gegangen – oder es zumindest gehofft. „Ich dachte, du wärst schon fort. Der Gärtner sagt, du hättest deine Kreuzfahrt unterbrochen, um an der Beerdigung teilzunehmen. Sehr edelmütig. Jetzt solltest du dich allerdings nicht länger aufhalten lassen“, setzte sie übertrieben liebenswürdig hinzu.
„Deine Fürsorge ist rührend, Selina, aber ich habe es nicht eilig. Du scheinst immer noch eine Schwäche für Gärtner zu haben. Aber der Mann hat recht. Ich habe die Kreuzfahrt unterbrochen.“
Falls Rion sie mit der Anspielung auf den Gärtnerjungen ärgern wollte, vergeudete er seine Zeit. Gegen ihn war sie gefeit. In jeder Hinsicht.
„Lass mich dir einen Tipp geben, mein Lieber. Eine Beerdigung ist ein schlechter Start in den Urlaub. Du brauchst also keine Hemmungen zu haben, zu gehen, wann du Lust hast“, riet sie ihm heiter.
Rion kämpfte gegen das Verlangen an, das ihn nicht mehr
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