Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Sicherheit sein müssen.
Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, ihr Mund war trocken, und die Zunge klebte ihr am Gaumen. Hätte, müsste, sollte – all das nützte ihnen jetzt nichts mehr. Was sie brauchten, waren gute Nerven und ein Plan. Was auch immer für ein Plan. Aber ihr verstörtes, von Panik regiertes Gehirn rollte sich zu einem Ball zusammen und stellte sich tot, was nicht gerade hilfreich war.
»Gib die Tasche her! Und alles andere von Wert!«, forderte der Knochendürre.
Von hinten legte sich ihr eine schmutzige Hand um die Taille und zog sie so fest an einen Männerkörper, dass sie den schlechten Atem des Kerls an ihrer Wange spürte. Und den Lauf einer Pistole an ihren Rippen. »Tut, was euch gesagt wird! Ist es nicht das, was diese Nonnen euch beibringen?«
Sabrina nahm ihre Tasche von der Schulter und ließ sie auf den Boden fallen. Sie mochte mutig sein, doch sie war nicht dumm. Sie konnten die Tasche haben, auch wenn sie wenig Nützliches unter den Medikamenten finden würden, die sie enthielt. »Das ist alles, was wir haben.«
Jane weinte leise und war so blass, dass ihre Sommersprossen sich wie dunkle Flecken von ihrem weißen Gesicht abhoben.
Ein zweiter Mann trat heran, griff nach ihrem Kinn und hob mit einem lüsternen Glanz in den Augen ihr Gesicht ins Licht. Mit einem Ruck riss er ihr das Tuch vom Kopf, worauf das Haar ihr in weichen, kupferroten Wellen auf den Rücken fiel. »Ich würd sagen, wir nehmen uns mehr als bloß ein paar mickrige Groschen und ein Schmuckstück oder zwei. Die brauchen wahrscheinlich sowieso ’nen Mann. Hab ich recht, Mäuschen?«
Janes Blick huschte wild nach links und rechts, und sie zitterte wie Espenlaub.
Die Angst und Panik ihrer Freundin zu sehen zündete einen Funken in Sabrina, der augenblicklich ihren Zorn entfachte und in ihr aufloderte wie eine Stichflamme. Sie funkelte die Männer böse an und wünschte nur, dass die Flammen, die ihr Blut erhitzten, auch direkt aus ihren Augen schießen könnten. »Nimm deine Pfoten von ihr!«
Das lenkte das Interesse des schmierigen Kerls auf sie. »Eifersüchtig, Kleines?« Sein widerliches wieherndes Gelächter wirkte ansteckend auf die anderen, die nun auch losprusteten, mit den Füßen stampften und so seinen Scharfsinn würdigten. »Du kommst noch früh genug dran. Wir sind genug für mehrere Runden.«
»Sei vorsichtig! Du sprichst mit einer Lady.«
Ein vertrautes, drohendes Knurren durchdrang Sabrinas wachsendes Entsetzen und veranlasste sie, im sich verdunkelnden grauen Licht nach ihrem Retter Ausschau zu halten.
Aber er konnte gar nicht hier sein. Sie hatte ihn zuletzt unter dem wachsamen Auge Schwester Liothas Stroh für die Kühe zusammenrechen sehen. Sie musste sich irren. Trotzdem schickte sie ein stummes Stoßgebet zu den Göttern, sich nicht getäuscht zu haben!
Ein Schatten glitt zwischen den Bäumen hindurch, groß, dunkel und lautlos wie ein Gespenst. Er tauchte nicht einmal für eine Sekunde aus dem Unterholz auf, aber er war da, beobachtete sie und wartete.
»Zeig dich, Freundchen!«, schrie der Knochendürre mit gezücktem Messer und schmalen Augen.
»Lasst die Frauen gehen und verschwindet von hier!«, antwortete ihr Retter in knappem, kämpferischem Ton und mit ruhigem Selbstvertrauen, das so völlig anders war als die nervöse Prahlerei der Wegelagerer.
Der Bandit lachte höhnisch auf und spuckte aus. »Ich lass mir doch nix von einem Schisser sagen, der sich wie Ungeziefer in den Büschen versteckt. Und wenn du nicht freiwillig rauskommst, Bursche, lass ich dich von meinen Männern holen. Dann werden wir ja sehen, was ist. Und wer hier die Befehle gibt.«
Er winkte seinen Kameraden, die sich augenblicklich in die Büsche schlugen. Zwei hielten sich ein wenig zurück, während ein Dritter mit dem Lauf einer verrosteten Flinte das Unterholz beiseiteschob. Janes Peiniger zögerte, aber dann ließ er sie los, um seinen Kumpanen ins Gebüsch zu folgen.
Der schleimige Kerl, der Sabrina festhielt, ließ jedoch nicht locker, obwohl seine ganze Aufmerksamkeit der Suche galt.
Die Abenddämmerung vertiefte sich. Aus dem trüben Grau wurde Dunkelheit, in der sich die Umrisse der Bäume schwarz und unheimlich vor dem Himmel abzeichneten. Und nun begann auch noch ein leiser, kalter Regen durch Äste und Zweige herabzufallen. Die Rufe der Männer waren das Einzige, was die unnatürliche Stille der Szene unterbrach.
Plötzlich flog laut schwirrend ein Schwarm von Vögeln auf, als ein Schrei die
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