Verführung der Nacht: Ein Vampirthriller (German Edition)
Nike-Turnschuhe. Sein Haar ist dunkel, mit grauen Strähnen. Ich frage mich, ob das Grau künstlich sein könnte. Ich weiß nicht, wie alt er ist, aber ich würde von einem Polizeichef erwarten, dass er mindestens fünfzig sein müsste. Williams’ Gesicht weist aber kaum Falten auf. Dagegen kann man als Vampir nichts tun, aber zumindest kann man sein Haar »altern« lassen.
Er wendet mir seinen scharfen Blick zu. Er hebt die Hand und fährt sich damit durchs Haar. Sieht es natürlich aus? Es ist wirklich schwierig, einen Friseur davon zu überzeugen, dass man gern ein paar graue Haare hätte, weil die Mehrheit seiner Kunden sich nichts sehnlicher wünscht, als sie verschwinden zu lassen.
Sehr natürlich. Ich weise auf den Raum um uns herum. Was meinen Sie?
Williams tritt auf den Balkon, bevor er antwortet: Tolle Aussicht.
Tolle Aussicht? Ich folge ihm hinaus. Chief Williams, mein Freund wird vermisst. Ich mache mir große Sorgen um ihn. Ich brauche Ihren Rat – was soll ich tun? Soll ich ihn bei der Polizei als vermisst melden? Sollte ich anfangen, seine Freunde und Verwandten durchzutelefonieren? Ich weiß nicht mehr weiter. Ich brauche wirklich Ihre Hilfe.
Williams holt eine Zigarrenhülse aus der Innentasche seiner Jacke, nimmt sich viel Zeit, eine dicke Zigarre herauszuziehen und rollt sie zwischen den Fingern, bis er sie schließlich zwischen die Lippen steckt. Er beißt das Ende ab und spuckt es vom Balkon. Dann holt er ein Feuerzeug heraus und pafft, bis die Spitze glimmt.
Die ganze Zeit über trete ich von einem Fuß auf den anderen, schlucke meine Ungeduld herunter und kämpfe gegen die aufsteigende Wut. Als er endlich mit seinem Zigarrenritual fertig ist, blickt er ungerührt zu mir auf.
David ist ein Sterblicher.
Er klingt verdächtig nach Avery. Und was wollen Sie damit sagen?
Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten Sterblicher ein. Nicht, wenn dabei das Risiko besteht, dass unsere Identität enthüllt werden könnte.
Unsere Identität? Um wessen Identität genau geht es Ihnen eigentlich?
Er macht es sich auf einem Liegestuhl bequem, lehnt sich zurück und legt die Hand mit der Zigarre auf die Armlehne. Er verhält sich, als wäre dies ein freundschaftlicher Besuch.
Ganz und gar nicht, erwidert er. Ich weiß, wie wichtig Ihnen diese Sache ist. Ich weiß nur nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.
Das kann ich Ihnen sagen. Sie können so tun, als seien Sie Polizist. Sie können mir helfen, Vermisstenmeldung zu erstatten, einen Fahndungsaufruf rausgeben und so tun, als wäre es Ihnen nicht scheißegal, dass mein bester Freund und Partner vermisst wird. Das wäre schon mal ein guter Anfang.
Williams’ Blick wird hart. Es wäre ein Fehler, wenn ich mich in diese Sache verwickeln ließe.
Warum?
Weil es sehr gut möglich ist, dass diese Entführung ein Vergeltungsschlag ist – dafür, dass Sie neulich den Rächern entkommen sind. Wenn das stimmt, wird es nichts nützen, offizielle Ermittlungen einzuleiten. Dadurch würden wir sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie bei der Polizei offensichtlich Einfluss haben. Das wäre nicht gut.
Ich starre ihn einen Moment lang an. Aber es war ein Cop, der mich angehalten hat. Einer von Ihren Leuten.
Keiner von meinen Leuten, das versichere ich Ihnen.
Williams erhebt sich, schnippt Asche übers Balkongeländer und wendet sich mir zu. Das war kein Cop vom San Diego Police Department. Die Rächer gehören zur State Patrol.
Er hat recht – diesen Unterschied hatte ich bis jetzt nicht bedacht.
Glauben Sie mir, fährt Williams fort, ich gebe mir wirklich Mühe, sie aufzudecken und auszumerzen.
Ausmerzen? Es kann keinen Zweifel geben, was er damit meint. Wie stellen Sie das an?
Er zuckt mit den Schultern. Unfälle. Oder bei einem riskanten Einsatz geht etwas schief. Zum Glück musste ich mich in letzter Zeit nicht mit allzu vielen herumschlagen. Donaldsons Aktivität hat diese neue Welle von Vampirjägern auf den Plan gerufen. Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn Sie sich seine Dienstnummer oder die Autonummer gemerkt hätten.
Oh, entschuldigen Sie bitte, dass ich daran nicht gedacht habe. Ich war erst seit ein, zwei Tagen ein Vampir und habe nicht damit gerechnet, entführt zu werden. Und wenn es stimmt, was Sie sagen, und die Rächer David verschleppt haben, warum haben sie dann noch keinen Kontakt zu mir aufgenommen? Was würden sie denn von mir wollen?
Vielleicht haben sie nur die Absicht, Sie davon zu überzeugen, dass es klüger wäre,
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