Verfuehrung im Mondlicht
über die Rechte von Frauen kennen gelernt.« Sie lächelte sehnsüchtig. »Sie haben immer behauptet, es wäre Liebe auf den ersten Blick gewesen.«
»Euer Tonfall lässt vermuten, dass Ihr an dieses Phänomen nicht glaubt.«
»Im Gegenteil, Mr. Wells. Meine Eltern waren der beste Beweis dafür, dass es existiert. Aber in ihrem Fall forderte diese Liebe einen hohen Preis. Sie haben zwei Ehen zerstört und einen großen Skandal verursacht, um ihr persönliches Glück zu leben.«
»Und Euch haben sie die Bürde der Unehelichkeit aufgelastet.«
Concordia lachte bitter. »Dabei ist das noch das geringste Problem. Weit größere Schwierigkeiten machen mir die Urteile, welche die Leute fällen, wenn sie herausgefunden haben, dass ich in dieser Gemeinschaft erzogen worden bin.«
»Diese Urteile betreffen Euer persönliches Verhalten?«
»Ganz genau, Mr. Wells.« Sie stellte die Tasse so heftig auf die Untertasse zurück, dass sie klirrte. »Sobald die Leute erfahren, dass ich das uneheliche Kind von William Gilmore Glade und Sybil Marlowe bin, schließen sie daraus, dass ich eine ähnlich moderne Philosophie praktiziere, was die Beziehung zwischen den Geschlechtern angeht.«
»Ich begreife jetzt, warum Ihr so viel Mühe auf Euch genommen habt, um Eure Vergangenheit vor Euren Arbeitgebern zu verheimlichen.«
»Es gibt nur sehr wenige Menschen, die bereit sind, eine Lehrerin einzustellen, die mit solchen Ideen aufgewachsen ist. Wie ich schon sagte, als meine Vergangenheit bei meiner vorherigen Anstellung an dem Mädcheninternat ans Licht kam, wurde ich sofort entlassen.«
Ambrose dachte eine Weile nach. »Ihr wart wirklich perfekt für Alexander Larkins Zwecke geeignet, nicht wahr?«
»Wie bitte?«
»Ihr suchtet verzweifelt eine Anstellung und hattet keine Bindung zu Euren Verwandten. Wenn Ihr verschwunden wäret, nachdem Larkin Euch nicht mehr brauchte, hätte niemand irgendwelche Fragen gestellt.«
Sie schüttelte sich. »Ein Angst einflößender Gedanke.«
»Ich frage mich, ob Miss Bartlett dieselben Bedingungen erfüllte.«
»Was meint ...? Oh, ich verstehe. Es hat fast den Anschein, nicht wahr? Sie ist von der Burg verschwunden, und soweit ich weiß, hat niemand nach ihr gefragt.« Concordia zögerte. »Andererseits hätte mir gegenüber auch niemand solche Nachfragen zur Sprache gebracht. Ich war ja nur die Lehrerin. Und ich wurde zumeist schlicht ignoriert.«
Ambrose nickte bedächtig, während ein vertrautes Gefühl sich in ihm ausbreitete. Diese Art von Vorahnung verspürte er immer, wenn er wusste, dass er sich der Antwort näherte, die er suchte.
»Etwas sagt mir, dass Ihr der Schlüssel zu dieser Angelegenheit seid, Concordia«, meinte er leise. »Ich glaube, dass Larkin bei Euch einen entscheidenden Fehler gemacht hat, den Fehler, der ihn am Ende zu Fall bringen wird.«
»Welchen Fehler meint Ihr?«
»Er hat die Lehrerin unterschätzt.«
10
Die Frau des Gastwirtes mochte den Mann überhaupt nicht, der ihren Ehemann so eindringlich befragte. Nicht nur, weil der Fremde so deutlich seine Verachtung für ihre bescheidene Herberge gezeigt hatte, als er kurz zuvor hereingekommen war. Sie übte ihren Beruf schon lange aus. Wohlhabende, arrogante Herren, die ihre saubere, ehrbare und gut geführte Herberge betrachteten wie eine billige Absteige, waren ihr nicht fremd. Normalerweise betranken sie sich, versuchten, das Zimmermädchen anzugrapschen und beschmutzten manchmal die Laken. Dieser Mann jedoch war anders. Sie bezweifelte, dass sich der Gentleman zu einem dieser kleinen und eher lästigen Vergehen herablassen würde. Er wirkte sehr vornehm und gepflegt. Am Tag zuvor war er den ganzen Weg aus London mit dem Zug gekommen, hatte die Nacht in einem Dorf in der Nähe von Aldwick Castle verbracht, war am Morgen zu den Ruinen gefahren, hatte anschließend eine Kutsche gemietet und begonnen, Nachforschungen anzustellen.
Obwohl er die ganze Zeit in der Gegend herumgefahren war, fand sich kein einziger Fleck auf seinem schönen Mantel. Und auch sein Hemdkragen war sauber und frisch gebügelt.
Er war viel zu ordentlich, befand die Frau. Er gehörte zu dem Typ Gentleman, der mit eigenen Laken und Handtüchern reiste, weil er der Sauberkeit solcher Herbergen, wie sie von ihr und ihrem Mann betrieben wurde, nicht traute.
Sie saß im Büro und tat, als beschäftige sie sich mit den Büchern, während Ned sich mit dem Fremden unterhielt. Aber sie hatte die Tür offen gelassen. So konnte sie den Tresen aus
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