Verfuehrung im Mondlicht
den Augenwinkeln beobachten und jedes Wort der Unterhaltung zwischen den beiden Männern verstehen.
»Vier junge Damen und ihre Lehrerin sind hier über Nacht abgestiegen?« Der Mann aus London warf einige Münzen auf den Tresen. »Sie sind gestern in aller Frühe abgereist?«
Ned rührte die Münzen nicht an. »Sie erwähnten, dass sie rechtzeitig am Bahnhof sein wollten, um noch den Frühzug nach London zu erreichen.«
»Haben sie über das Feuer in der Burg gesprochen?«, fragte der Fremde scharf.
»Nein, Sir. Von hier aus ist es ein weiter Ritt bis zur alten Burg. Wir selbst haben die Nachricht von dem Feuer erst erhalten, nachdem die Damen zum Bahnhof geritten waren.« Ned schüttelte ernst den Kopf. »Ich habe gehört, dass Aldwick Castle bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist und sogar einige Männer ihr Leben verloren haben.«
»Zwei, um genau zu sein.« Der Fremde klang ungeduldig, als wäre der Verlust dieser Männer eher ein Ärgernis denn eine Tragödie. »Nur die Art ihres Todes ist noch ungewiss.«
»Wie bitte, Sir?«
»Schon gut, das geht Euch nichts an. Könnt Ihr mir noch etwas über die jungen Ladys und ihre Lehrerin erzählen?«
»Nein, Sir. Wie ich schon sagte, sie kamen spät an und sind sehr früh abgereist.«
Der Gentleman mahlte mit den Kiefern. »Ich frage mich, was sie mit den verdammten Gäulen gemacht haben.« Er sprach mehr zu sich selbst als zu Ned.
»Das kann ich Euch genau sagen, Sir«, meinte Ned hilf-reich. »Sie haben die Pferde im Mietstall neben dem Bahnhof abgegeben.«
Der Mann warf noch ein paar Münzen auf den Tresen. »Wie hat die Lehrerin für die Zimmer bezahlt, die sie und die Mädchen gemietet haben. Hatte sie Geld?«
»Über ihre finanzielle Situation bin ich nicht informiert, Sir.« Ned zuckte umständlich mit der Schulter. »Denn sie hat die Rechnung nicht bezahlt.«
Der Mann zeigte keine Regung, ja, er zuckte nicht einmal mit der Wimper, aber die Frau des Gastwirts bekam plötzlich kaum noch Luft.
»Wer hat dann für die Zimmer bezahlt?«, fragte der Fremde gefährlich leise.
»Nun, der Mann, den die Lehrerin als Beschützer für ihre Reise engagiert hatte.« Ned blieb überraschend gelassen.
Die Hand des Fremden verkrampfte sich kurz um den goldenen Griff seines Gehstocks. Er betrachtete Ned aus Augen, die so kalt wirkten wie die eines Fisches. »Sie hat einen Leibwächter engagiert?«
»Ich fand das sehr vernünftig. Sie und ihre Schülerinnen reisten schließlich mitten in der Nacht.«
»Wie lautete der Name dieses Mannes?«
»Smith, glaube ich.« Ned schlug das Register auf und fuhr mit dem Zeigefinger über die Seite. »Ja, hier haben wir es. Mr. Smith. Ich habe ihm Zimmer Nummer fünf gegeben. Die Lehrerin und die Mädchen haben drei und vier genommen.«
»Lasst mich mal sehen.« Der Mann drehte das Register mit einer kurzen, brüsken Bewegung herum und betrachtete die Namen auf der Seite. »Seine Handschrift sieht genauso aus wie die der Lehrerin.«
»Sie hat für alle die Namen eingetragen, für sich selbst, für die Mädchen und Smith.« »Beschreibt den Mann!«
Ned zuckte mit den Schultern. »Er war nicht weiter bemerkenswert. Etwa mittelgroß, schätze ich. Ehrlich gesagt, sah er ziemlich gewöhnlich aus.« Er warf einen Blick über die Schulter zurück. »Lizzie, kannst du dich an den Mann erinnern, der neulich abends die Lehrerin und die Mädchen begleitet hat?«
Sie zwang sich dazu, sich langsam umzudrehen, als würde die Frage sie bei einer wichtigeren Arbeit stören.
»Ich glaube, er hatte braunes Haar«, erklärte sie höflich.
»Ist das alles, woran Ihr Euch erinnern könnt?« Der Fremde klang ärgerlich.
»Leider ja, Sir. Wie Ned schon sagte, er hatte nichts Bemerkenswertes an sich.«
»Wo zum Teufel konnte sie hier einen Leibwächter finden?«, fragte der Gentleman.
Die beiden sahen ihn höflich und ausdruckslos an und antworteten nicht.
»Ich verschwende hier nur meine Zeit!«, knurrte er.
Ohne ein weiteres Wort machte er auf dem Absatz kehrt, marschierte aus der Herberge und stieg in seine wartende Droschke.
Ned strich die Münzen vom Tresen und ging ins Büro. Dort legte er Lizzie tröstend die Hand auf die Schulter. Zusammen sahen sie der Kutsche nach, die aus dem Hof rollte und in Richtung des Dorfes und der Bahnstation verschwand.
»Mr. Smith hat Recht behalten, als er andeutete, dass sehr wahrscheinlich bald jemand kommen und nach der Lehrerin fragen würde«, erklärte Ned.
Lizzie schüttelte sich. »Gott
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