Verfuehrung im Mondlicht
sei Dank hat Smith uns nicht gebeten, für das Geld zu lügen, das er uns gegeben hat. Ich glaube, es wäre nicht leicht gewesen, diesen Fremden da zu täuschen.«
Smith’ Bitte, die er dem Wirtsehepaar gestern Morgen vorgetragen hatte, war ebenso einfach wie direkt gewesen. Er hatte zehn Pfund auf den Tresen gelegt. »Es werden Fragen gestellt werden«, hatte er sehr höflich zu Ned gesagt. »Es steht Euch frei zu sagen, dass die Lehrerin mich engagiert hat, dafür zu sorgen, dass sie sicher zum Zug nach London kommt. Aber Ihr würdet mir einen großen Gefallen tun, wenn Ihr mich so vage wie möglich beschreiben würdet.«
»In gewisser Weise haben wir schon gelogen«, erklärte Ned. »Wir haben diesem Fremden aus London gesagt, dass Mr. Smith nicht weiter bemerkenswert war.«
»Nun, das stimmte ja auch«, widersprach sie. »Jedenfalls was seine Größe und sein Aussehen anging.«
»Aber er hatte so etwas an sich ...« Ned ließ den Satz unbeendet verklingen.
Worte sind auch überflüssig, dachte Lizzie. Sie waren beide bereits lange genug Gastwirte, um die menschliche Natur recht genau einschätzen zu können. Mr. Smith hatte tatsächlich eine besondere Ausstrahlung gehabt, und zwar eine sehr gefährliche Ausstrahlung. Die Lehrerin jedoch schien ihm zu vertrauen, und das genügte Lizzie vollkommen. Denn auch diese Lehrerin war etwas Besonderes gewesen.
Lizzie hatte eine Stärke und Entschlossenheit in der Frau gesehen, die man häufig im Tierreich fand, bei Weibchen, deren Junge bedroht wurden.
Sie berührte Neds Finger. »Vergiss es. Die Geschichte ist vorbei, jedenfalls was uns angeht, und wir haben keinen Grund, uns zu beklagen. Wir haben einen schönen Gewinn eingestrichen.« »Das stimmt.«
»Was macht dir dann noch Kummer?«
Ned atmete geräuschvoll aus. »Ich bin verdammt neugierig, warum uns Mr. Smith nicht gebeten hat, für ihn zu lügen. Bei der Summe, die er da gestern auf den Tresen gelegt hat, hätte ich erwartet, dass er von uns verlangt, gar nichts über ihn oder seine Begleiterinnen zu verraten.«
»Stattdessen hat er uns nur gebeten, seine Beschreibung so ungenau wie möglich zu halten«, meinte Lizzie nachdenklich. »Das ist tatsächlich irgendwie bemerkenswert, nicht wahr? Zehn Pfund sind eine Menge Geld für eine so einfache Bitte.«
»Ich habe da so eine Ahnung«, meinte Ned langsam. »Ich glaube, dass Smith wollte, dass dieser Gentleman aus London erfuhr, dass die Lehrerin und ihre Schülerinnen einen Leibwächter haben.«
»Warum denn?«
»Vielleicht wollte er ihn abschrecken.« Ned rieb sich den Nacken. »Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit.«
»Und welche?«
»Es könnte sein, dass Smith diesen eleganten Mann auf eine falsche Fährte locken wollte.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wenn du einen hungrigen Tiger siehst, der sich einer Herde hilfloser Lämmer nähert, dann würdest du ihn davon ablenken wollen, sie zu töten, indem du ihn auf eine interessantere Beute lockst, die direkt vor seiner Nase ist.«
Lizzie drückte seine Hand. »Musst du unbedingt das Wort töten benutzen?«
»Ich meinte das nur bildlich gesprochen, Liebes«, sagte Ned beruhigend.
»Ich wünschte, ich könnte dir das glauben.« Sie seufzte.
»Ich hoffe jedenfalls, dass wir keinen dieser Männer jemals Wiedersehen.«
11
»Das blaue und das türkisfarbene Kleid passen perfekt zu Edwina und Theodora«, verkündete Concordia. Sie schaute erst die Mädchen und dann Mrs. Oates an. »Findet Ihr nicht auch?«
Die Damen murmelten zustimmend.
»Wirklich entzückend«, erklärte Mrs. Oates, die Edwina und Theodora mit warmherziger Anteilnahme musterte. »Diese Kleider passen ganz wunderbar zu ihrem hübschen, blonden Haar.«
Edwina und Theodora hielten sich die Gewänder vor und prüften ihr Aussehen im Spiegel. Ihre Gesichter glühten vor Freude. Die beiden anderen Mädchen standen hinter ihnen. Hannah zappelte fast vor Ungeduld, endlich selbst vor den Spiegel treten zu können.
Es war siebzehn Uhr. Die meisten Kleidungsstücke, die erst gestern bestellt worden waren, mussten noch von der Schneiderin geliefert werden, doch es waren bereits genug Kleider eingetroffen, um alle mit der dringend benötigten Garderobe zum Wechseln zu versorgen.
Außerdem hatte Mrs. Oates einen kurzen Abstecher zu einem großen Kaufhaus in der Oxford Street gemacht und war mit einer Anzahl von anderen lebenswichtigen Gütern zurückgekehrt, wie Schuhen, Hüten, Handschuhen und Unterwäsche.
Dante und Beatrice
Weitere Kostenlose Bücher