Verfuehrung im Mondlicht
Bücher noch über Lineale, Globusse oder Landkarten.«
Concordia lächelte Ambrose herausfordernd an. »Ich bin sicher, dass Mr. Wells nichts dagegen hat, wenn wir seine Bibliothek für eine Weile als Klassenzimmer benutzen.«
Ambrose dachte kurz über ihr Ansinnen nach und zuckte dann gleichmütig mit den Schultern. »Nein, Mr. Wells hat nichts dagegen.«
»Danke, Sir.« Concordia schaute ihn dankbar an.
Phoebe drehte sich skeptisch zu Ambrose herum. »Befinden sich denn Bücher über Chemie in der Bibliothek, Sir?«
»Ihr findet die Standardwerke über Chemie im zweiten Regal rechts von der Tür«, erwiderte Ambrose.
»Und was ist mit dem alten Ägypten?«, wollte Edwina wissen. »Das ist mein Lieblingsfach.«
»Werke über das alte Ägypten finden sich auf der kleinen Galerie oben im Treppenhaus. Dort gibt es außerdem eine große Anzahl von Werken über China, Amerika, Indien, Afrika und andere Länder.«
Sie strahlte. »Wirklich?«
»Wirklich.« Er lud ein bisschen Rührei auf seine Gabel. »Mr. Stoner hat viele Jahre lang die Welt bereist. Er hat sogar einige der Bücher geschrieben, die Ihr in der Bibliothek findet.«
Die Mädchen waren fasziniert, Concordias Blick dagegen war höflich, aber eindeutig skeptisch.
»Ihr findet hier weiterhin einige interessante Kunstwerke, die Mr. Stoner von seinen Reisen mitgebracht hat. Eines insbesondere dürfte Euch faszinieren. Es nennt sich das
Kabinett der Kuriositäten. Der Legende nach sind einhundertundeine Schublade in dem Schrank verborgen, aber bisher ist es niemandem gelungen, sie alle zu finden.«
»Ein Schrank mit Geheimfächern?« Phoebe war begeistert. »Wie aufregend. Dürfen wir versuchen, einige davon zu finden, Mr. Wells?«
»Herzlich gern.«
Edwina sah ihn hoffnungsvoll an. »Enthält die Bibliothek zufällig auch Werke von Mrs. Browning? Ich bewundere ihre Gedichte.«
»Elizabeth Barrett Browning und ihr Mann sind beide vertreten«, versicherte er ihr. »Sie stehen unmittelbar nebeneinander, was irgendwie nur angemessen scheint.«
Theodora beugte sich vor und schaute ihn über den Tisch hinweg an. »Habt Ihr vielleicht auch Wasserfarben und Pinsel im Haus, Sir?«
Ambrose dachte darüber nach. »Ich glaube, in einem der Schränke befindet sich Künstlerzubehör. Allerdings dürfte es ziemlich alt sein. Ich schicke Oates noch heute los, damit er frische Farben besorgt.«
Theodora war höchst erfreut. »Danke, Sir, das wäre entzückend. Als Miss Glade auf der Burg eintraf, hat sie etliche großartige Farben und Pinsel mitgebracht, aber wir waren gezwungen, das meiste davon zurückzulassen, als wir geflohen sind.«
»Verständlich«, erwiderte er.
»Und Romane, Sir?«, wollte Hannah wissen. »Ich interessiere mich sehr für Romane, vor allem für solche, bei denen es um heimliche Ehen und verschwundene Erben und verrückte Frauen auf dem Dachboden geht.«
»Ihr meint diese so genannten empfindsamen Romane?«, fragte er.
»Ja, Sir.« Hannah lächelte ihn aufmunternd an.
Er griff nach einer Scheibe Toast. »Ich kann wohl mit absoluter Gewissheit behaupten, dass sich in dieser Bibliothek nicht ein einziger solcher Roman findet.«
»Oh.« Hannahs Miene wurde lang.
Die Begeisterung auf den Gesichtern der anderen Mädchen schien ebenfalls etwas gedämpft zu sein.
»Wie unglücklich«, murmelte Hannah.
Er betrachtete die enttäuschten Mienen ringsum.
»Dieser Haushalt unterhält eine Vielzahl von Zeitungen«, sagte er schließlich. »Einige von ihnen bringen Fortsetzungsromane dieser Art. Ihr seid herzlich eingeladen, sie zu lesen.« Er zögerte und suchte Concordias Blick. »Vorausgesetzt, dass Miss Glade keine Einwände hat.«
»Ganz und gar nicht.« Concordia butterte ihren Toast. »Ich glaube fest an den Wert der Lektüre von empfindsamen Romanen. Sie fördert die Entwicklung der kreativen Phantasie und erlaubt es einem, gewisse starke Leidenschaften und Emotionen zu erleben, die in der feinen Gesellschaft selbstverständlich beherrscht werden müssen.«
Er hob die Brauen. »Ihr verblüfft mich, Miss Glade. Ich glaube kaum, dass viele Vertreterinnen Eures Berufsstandes mit Eurer Ansicht übereinstimmen würden. Die überwältigende Mehrheit von Erziehern und die meisten Eltern dürften überdies der Meinung sein, dass solche empfindsamen Romane einen sehr unschicklichen Einfluss auf junge Gemüter haben.«
»Ich bin mir bewusst, dass meine Herangehensweise an die Erziehung junger Damen etwas ungewöhnlich ist.«
»Einzigartig
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