Verfuehrung im Walzertakt
wie konnte sie fragen, wenn sie die Antwort fürchtete? „Allerdings weiß ich auch, wie es in der Welt zugeht. Männer können sich weit mehr erlauben als Frauen. Die Scheinheiligkeit regiert.“
Er hob die Augenbrauen. „Ich persönlich verachte Scheinheiligkeit.“
„Ich … Es freut mich, dies zu hören.“
„Bitte nehmen Sie doch Platz.“
„Ich bevorzuge es, zu stehen.“
„Ganz wie Sie wünschen, wenn ich es auch für angenehmer halte, auf einem bequemen Sofa zu sitzen, denn auf vom Tanzen gepeinigten Füßen zu stehen …“
„Warum haben Sie mich herbestellt?“, fragte sie.
„Haben Sie Interesse daran, einen weiteren Auftrag anzunehmen?“
„Einen Auftrag?“ Diana neigte den Kopf, um zu erkennen, ob sie ein Lachen in seinen Augen entdecken konnte, aber es schien ihm völlig ernst zu sein. „Welche Art von Auftrag?“
„Ich benötige Ihre Hilfe, Ihr künstlerisches Auge, und da heute solch ein wunderschöner Herbsttag ist, sagte ich mir, warum warten? Man kann viel erreichen, wenn man handelt. Außerdem sind wir Freunde.“
Freunde. Der Kuss im Sommerhaus bedeutete ihm also nichts. Wahrscheinlich hatte er solche Küsse schon tausend Mal in seinem Leben verschenkt. Sie würde ihn nicht wissen lassen, was er oder der gestrige Tanz in seinen Armen ihr bedeutete.
„Diana, hören Sie mir überhaupt zu? Sie haben einen ganz entrückten Ausdruck in den Augen.“
Vage wurde ihr bewusst, dass er ihr mit begeistertem Ausdruck im Gesicht etwas zu erklären suchte. Die Hand an den Kopf legend sank sie aufs Sofa. „Ich fürchte, die ungewohnten Anstrengungen des gestrigen Abends haben mir heute Morgen Kopfschmerzen beschert.“
„Wir können diese Angelegenheit auch gerne auf einen anderen schönen Tag verschieben. Ihre Gesundheit geht selbstverständlich vor.“
„Sie erklärten mir etwas von einem Auftrag. Was soll ich für Sie tun? Ich werde Ihnen nun auch meine ganze Aufmerksamkeit widmen, das verspreche ich.“
„Nun, das Anwesen verfügt über eine künstliche Grotte, die bedauerlicherweise sehr schlicht und schmucklos ist.“ Er beugte sich vor, seine Augen schimmerten silbergrau. „Ich denke, man könnte mehr daraus machen. Man sollte mehr daraus machen.“
„Ich weiß, welche Grotte Sie meinen. Der verstorbene Sir John Biddlestone, Sir Cuthberts Großvater, hat sie erbauen lassen. Sie muss wohl mittlerweile ziemlich verfallen sein, fürchte ich. Sir Cuthbert zeigte wenig Interesse für das Gut, wollte es indes aber auch nicht verpachten.“
„Da ich die Absicht habe, dieses Anwesen zu meinem Stammsitz zu machen, braucht es auch eine Gartenanlage, die eines Earls würdig ist.“
„Warum möchten Sie Ihren Stammsitz nach Northumberland verlegen, wo Sie doch gewiss über mehrere Anwesen verfügen?“
„Mein Vater und mein Bruder haben ihre Geldangelegenheiten nicht geregelt und kein Erbe hinterlassen. Die Coltonby-Ländereien wurden sämtlich verkauft, um die Schulden meines Bruders zu begleichen.“ Bretts Miene umwölkte sich. „Es fiel mir zu, das Familienvermögen wieder aufzubauen. Glücklicherweise habe ich mich in finanziellen Dingen als sehr geschickt erwiesen. Ich möchte hier einen ganz neuen Anfang wagen. Die Vergangenheit kann lange, missliche Schatten werfen.“
„Wenn ich Sie richtig verstehe, soll ich also die Grotte mit Wandmalereien verschönern?“ Diana biss sich auf die Lippe. Das würde ihr Freude machen. Es würde ihr Gelegenheit geben, ihrer Leidenschaft freien Lauf zu lassen. Sie konnte die Bilder bereits vor sich sehen, mit denen sie die Wände verzieren wollte. „Meine Malereien sind … nun … blumig, sie passen nicht in eine Grotte. Ich denke, diese sollte mit Muscheln und dergleichen verziert werden, mit Bildern, die einen Bezug zu Wasser herstellen.“
„Da stimme ich Ihnen zu.“ Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. „Versuchen Sie nicht ständig Hindernisse zu errichten, wo gar keine sind. Lassen Sie mich Ihre Arbeit selbst beurteilen. Tun Sie mir den Gefallen.“
„Ich habe Ihnen den Gefallen getan, den Walzer zu lernen, und weiß, wohin das geführt hat.“ Diana gelang es, unbewegt zu erscheinen, obwohl sie das Unaussprechliche erwähnt hatte. Aber es hatte gesagt werden müssen.
„Es ist nichts geschehen, das nicht Ihren Wünschen entsprach.“ Sein Blick schien tief in ihre Seele vorzudringen. „Oder wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie es genossen haben, in meinen Armen zu liegen? Muss ich Sie etwa erst daran
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